770 Eastern Parkway: Das ist eine Adresse, die man sich merken muss. Wie 10 Downing Street in London. Das Ziegelhaus mit den zwei spitzen Giebeln, das hier steht – in Brooklyn, New York, genauer gesagt: im Stadtteil Crown Heights – ist mittlerweile ein halbes Dutzend Mal rund um den Globus nachgebaut worden. 770 Eastern Parkway: Hier fand Josef Jizchok Schneerson, der alte Lubawitscher Rebbe, eine neue Bleibe, nachdem er 1940 mit knapper Not aus dem von den Nazis okkupierten Warschau herausgeschmuggelt worden war. Von hier aus verwandelte Menachem Mendel Schneerson, sein Schwiegersohn, den Chassidismus à la Lubawitsch in einen weltweiten Exportartikel.
Crown Heights wird im großen Ganzen von Einwanderern aus der Karibik bevölkert, aber die unmittelbare Umgebung von 770 Eastern Parkway verströmt den authentischen Charme eines osteuropäischen Schtetls. Gleich neben dem Wohnhaus des alten Rebben führt ein Eingang hinunter in einen riesigen Raum, der so ostentativ schmucklos wirkt, wie das nur Gebetsräume ultraorthodoxer Juden fertigbringen: Plastikböden, Neonlichter, klapprige lange Bänke. An der Wand ein Transparent: »Yechi Adonenu Morenu weRabbenu Melech Hamaschiach le-olam wa-ed!« Auf Deutsch: »Es lebe unser Herr, Lehrer und Rabbi, der König Messias, für ewig!« Ach du liebe Zeit. Hier fällt uns naturgemäß Eliezer Schach ein, der große Kontrahent von Menachem Schneerson. Einmal wurde Schach gefragt, ob es eine Gruppe mit einer Religion gebe, die dem Judentum nahekomme, ohne im eigentlichen Sinn jüdisch zu sein. »Die Lubawitscher«, antwortete er.
Am Freitagabend füllt sich der Saal schnell mit schwarzen Hüten. Wie viele Leute mögen es sein, 500? Es ist die übliche jüdische Anarchie: Man versteht kaum, was vorgeht. Sind wir denn schon bei »Lecha Dodi«? Auf der Bima drängeln sich kleine Kinder, irgendwann hört man von dort rhythmisches Klatschen. Aha! Jetzt drehen sich alle zur Eingangstür um! Wir heißen also gerade die Schabbatbraut willkommen: espléndida. Aber dass Schneerson als Messias von den Toten auferstehen wird, kommt mir trotzdem spanisch vor. Hannes Stein
Chabad Lubavitch World Headquarters, 770 Eastern Parkway