von Matthias B. Krause
Der erste Staatsbesucher, den US-Präsident George W. Bush nach den Zwischenwahlen empfing, war Anfang dieser Woche der israelische Premierminister Ehud Olmert. Der überraschend umfassende Sieg der Demokraten, die im Januar die Macht im Abgeordntenhaus und im Senat übernehmen, öffnet den Weg für eine neue Irak-Strategie Washingtons. Die jedoch, so sind sich praktisch alle Experten einig, kann nur erfolgreich sein, wenn die anderen damit in Verbindung stehenden Konflikte ebenfalls angegangen werden – also auch der zwischen den Palästinensern und Israel.
Daran ist wenig neu, alles andere aber ist im Augenblick in Fluß in der amerikanischen Hauptstadt. Trotzdem konnte Olmert mit der Gewißheit abreisen, daß sich an der standfesten Unterstützung Washingtons für seinen Staat auch unter den neuen Machtverhältnissen nichts ändert. Im Gegenteil. Wenn die Religionszugehörigkeit ein Gradmesser für die Israel-Freundlichkeit des Kongresses ist, dann sind die Sympathien auf dem Capitol Hill für Tel Aviv durch die Wahl nur gestiegen. Die rund sechs Millionen Juden in Amerika, die zwei Prozent der Bevölkerung ausmachen, werden im 435 Sitze umfassenden Abgeordnetenhaus künftig durch 30 Delegierte mit ihrer Religionszugehörigkeit vertreten – so viele wie noch nie zuvor. Im neuen Senat sind von 100 Mitgliedern 13 jüdisch.
Steven Windmueller, Fachbereichsleiter des Hebrew Union College in Los Angeles sagt: »Die Juden sind einfach politisch sehr interessierte Menschen. Es gibt so viel Leidenschaft für den Prozeß, er ist wie eine eigene Religion.« Die Religionszugehörigkeit eines Abgeordneten weist allerdings nicht unbedingt auf seine politischen Überzeugungen hin, gleichwohl ist der Trend eindeutig. Einige Umfragen gehen davon aus, dass 88 Prozent der jüdischen Wählerstimmen ins demokratische Lager gingen, zwölf Prozent zu den Republikanern. Nach einer Erhebung der Republican Jewish Coalition stimmten 26 Prozent der Juden für die nun abgelöste Regierungspartei. Eric Cantor ist der einzige republikanische Abgeordnete im Repräsentantenhaus, der jüdisch ist, alle anderen 29 Juden sind Demokraten.
Grob gesagt befürworten jüdische Abgeordnete die Stammzellenforschung und treten für die Trennung von Staat und Kirche ein. Damit stehen sie vor allem den Zielen der religiösen Rechten in den USA im Wege, die sich strikt gegen Stammzellenforschung ausspricht, Abtreibung und Homo-Ehen verbieten will und die Grenzen zwischen Staat und Kirche am liebsten verwischt sähe. Genau diese Gruppe gehört jedoch zu den großen Verlierern der Zwischenwahl.
Einige ihrer Gesetzesvorhaben, die sie gegen die stramme Opposition der gemäßigten jüdischen Gruppen durchsetzen wollten, wird sich die religiöse Rechte nun abschminken müssen. Dazu gehören unter anderem ein Entwurf, der religiöse Gruppen bei Klagen bevorteilt hätte – so wie einer, der die Einstellung von Sozialarbeitern in staatliche Dienste mit dem »richtigen« Glauben fördern sollte. Beide Papiere stecken derzeit im Senat fest. Ihre Verabschiedung sei nun wesentlich unwahrscheinlicher geworden, sagt Richard Foltin vom American Jewish Committee in Washington.
Mit besonderer Genugtuung beobachteten die jüdischen Lobbygruppen zudem das Scheitern von Senator Rick Santorum in Pennsylvania. Er war einer der Anführer der Konservativen auf dem Capitol Hill, mit ihm verliert die christliche Rechte eine einflußreiche Stimme.