Staatliches
Immunsystem
Kinder von Schoa-
Opfern klagen gegen
Deutschland –
ohne Erfolgsaussicht
von Christian Rath
Die Klagen der zweiten Generation von Holocaust-Überlebenden gegen Deutschland haben wenig Aussicht auf Erfolg. Sie dürften am Prinzip der Staatenimmunität scheitern. Der gemeinnützige Fisher Fund und sein Direktor Baruch Mazor haben eine Klage gegen Deutschland im Namen von zunächst fünf Nachfahren von Schoa-Überlebenden eingereicht. Diese leiden unter Ängsten und anderen psychischen Beschwerden, die sie darauf zurückführen, dass ihre Eltern den Holocaust knapp überlebt haben. Sie fordern kein Schmerzensgeld, sondern lediglich die Finanzierung der Therapiekosten. Die Klage wurde zunächst in Tel Aviv eingereicht, soll später aber möglicherweise auch vor deutschen Gerichten verhandelt werden.
Einer Klage von Einzelpersonen gegen einen Staat steht jedoch, soweit es um hoheitliche Handlungen geht, das Prinzip der Staatenimmunität entgegen. Dies soll verhindern, dass einzelne Kläger oder einzelne Gerichte diplomatische Krisen auslösen. Insbesondere nach einem Krieg sollen Entschädigungen nur zwischen Regierungen ausgehandelt werden. Obwohl dieses Prinzip immer wieder für individuelle Härten sorgt, ist es weltweit anerkannt. Heute wird zwar diskutiert, ob es Ausnahmen bei schwersten Menschenrechtsverletzungen geben sollte, doch ist dies noch eine Minderheitsmeinung im Völkerrecht.
Die Bundesrepublik als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs ist eine starke Anhängerin des Prinzips der Staatenimmunität. So haben die deutschen Botschaften die strikte Anweisung, keine Klageschriften anzunehmen. Damit soll jeder Eindruck vermieden werden, man sei bereit, solche Prozesse zu führen. Der Anschein von Gewohnheitsrecht soll erst gar nicht entstehen. Deshalb wurde Mitte Juli auch die Annahme der Klageschrift des Fisher Fund verweigert.
Die Bundesregierung, die offiziell zu dem Verfahren keine Stellung nimmt, hofft offenbar, dass das israelische Gericht die Klage mit Verweis auf die Staatenimmunität ablehnen wird. Auch eine Klage in Deutschland dürfte an der Rechtslage scheitern. Der Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht haben erst kürzlich die Staatenimmunität bestätigt. Dabei ging es um die Klagen von Nachfahren griechischer Partisanen, die bei Massakern im Zweiten Weltkrieg getötet wurden.
Dass Deutschland weltweit bereits 65 Milliarden Euro Wiedergutmachung an NS-Opfer und ihre Heimatstaaten ausgezahlt hat und bis heute jährlich Leistungen in Höhe von knapp einer Milliarde Euro erbringt, ist für die juristische Bewertung der Klagen unerheblich. Außerdem haben die Überlebenden der zweiten Generation von diesen Zahlungen nichts. Denn nach dem Bundesentschädigungsgesetz konnten Kinder und Ehegatten von NS-Opfern nur dann eine Rente erhalten, wenn der Verfolgte von den Nazis getötet worden war. Für die Kinder von Überlebenden sah und sieht das Gesetz bisher keine Leistungen vor.