Gräber

Spur der Steine

von Heide Sobotka

An historischen Funden mangelt es Mainz nicht. Bereits zur Eiszeit war die strategisch am Zusammenfluss von Rhein und Main günstig gelegene Gegend besiedelt. Kelten lebten 1.000 Jahre vor der Zeitrechnung hier. Die Römer lagerten ab dem Jahr 38 in der Stadt am Rhein. Sie alle haben Spuren hinterlassen. Sobald heute der Boden im Stadtgebiet aufgehackt wird, kommt Historisches heraus. Römische Schiffe und Wehranlagen. Vieles Alltägliche wurde im Sand hinterlassen. Dass auch Juden im mittelalterlichen Magenza lebten, beweisen jetzt Grabsteine, die Ende August bei Aushubarbeiten zu Stadtvillen gefunden wurden.
Ein Zufallsfund, aber ein bedeutender, wie der Judaist von der Mainzer Gutenberg-Universität, Andreas Lenhardt und Rabbiner Berysz Rosenberg aus Zürich übereinstimmend feststellen. Der eine mit den örtlichen Gegebenheiten bestens vertraut, der andere seit 16 Jahren aktiv im »Komitee für die Bewahrung von jüdischen Friedhöfen in Europa«. Gefunden wurden bisher ein komplett erhaltener Grabstein, eine Grabplatte und 26 Fragmente. Auf einem Grabsteinfragment sei die Jahreszahl 1086 eingemeißelt. Damit handele es sich um eines der ältesten jüdischen Gräberfelder in Europa, sagt Lenhardt. Zum Vergleich: der älteste Grabstein des Judenfriedhofs in Worms, der als ältester erhaltener jüdischer Friedhof Europas gilt, stammt aus dem Jahr 1076.
Die Steine selbst, mutmaßt Lenhardt, stammten wohl aus römischer Zeit und seien später von den Juden umfunktioniert und hebräisch beschriftet worden. Auf jeden Fall belegten die Funde erneut die Bedeutung des jüdischen Magenza, betont der Judaist. Auch der Kölner Rabbiner Netanel Teitelbaum hält für möglich, dass auf dem alten jüdischen Friedhof in Mainz bedeutende jüdische Wissenschaftler des 11. und 12. Jahrhunderts ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Zusammen mit Stella Schindler-Siegreich, der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Mainz, besuchte Teitelbaum als einer der Ersten die Baugrube und nahm die gefundenen Steine in Augenschein.
Hier an der Fritz-Kohl-Straße sollten noble Stadtvillen entstehen. Der Bauplatz ist begehrt. Die Hanglage gewährt einen wunderschönen unverstellten Blick ins Grüne. Darüber hinaus ist er offensichtlich auch sonnenverwöhnt. Denn im 14. Jahrhundert hatten die Mainzer hier einen Weinberg angelegt, unmittelbar und teils auch noch auf dem Areal des einstigen jüdischen Friedhofs. Die Grabsteine benutzten sie nach der Vertreibung der Juden aus der Stadt für den Bau von Terrassen.
Derzeit wird hier nicht mehr gearbeitet. Bürgermeister Norbert Schüler hatte mit der Wohnungsbaufirma gleich nach dem Fund einen Baustopp vereinbart. Mainz wolle sich der Verantwortung für die jüdische Geschichte stellen, betonte Oberbürgermeister Jens Beutel. Man wolle Vorschläge machen, wie der Fundort würdig be-
handelt werden könnte. Von der Einrichtung einer Gedenkstele bis hin zur Überbauung des Gräberfeldes reicht das Spektrum der Überlegungen. Die Grabstellen dürfen nach jüdischem Gesetz dabei nicht angetastet werden. Daran hatte man Anfang der 60er-Jahre freilich nicht gedacht, als hier eine Landwirtschaftsschule gebaut worden war. Man hatte einen Sockel gegossen, unter dem die Grabsteine zubetoniert wurden. Ob wissentlich oder nicht, lässt sich heute nicht mehr ermitteln. Für Stella Schindler-Siegreich sind die gefundenen Grabstätten historische Dokumente, die nachfolgenden Generationen vermitteln können, dass die jüdische Ge-
meinschaft in Mainz tief verwurzelt ist. Sie verfolge jedenfalls die weiteren Ausgrabungen mit großem Interesse, sagt Schindler-Siegreich.

TV-Tipp

Fränkischer Stoffhändler mit beispielloser Erfolgsgeschichte

Mini-Serie über Jeans-Erfinder Levi Strauss als TV-Premiere

von Jan Lehr  02.01.2025

Gaza

WHO-Chef fordert Freilassung von Krankenhausleiter in Gaza

Israel wirft dem Direktor des Kamal-Adwan-Krankenhauses eine Beteiligung an Terroraktivitäten vor. Er werde gegenwärtig verhört, heißt es

 30.12.2024

Jerusalem

Netanjahu würdigt Jimmy Carter als Friedensstifter

Der ehemalige US-Präsident ist am Sonntag im Alter von 100 Jahren gestorben

 30.12.2024

Jerusalem

Netanjahu im Krankenhaus - Gericht verschiebt Anhörung

Die Gerichtstermine im Korruptionsprozess gegen Israels Regierungschef kollidieren oft mit seinen Amtsgeschäften. Diesmal zwingt ihn jedoch ein anderer Grund zu einer Absage

 29.12.2024

Interview

»It’s been a tough year«

Yana Naftalieva on the meeting of the World Union of Jewish Students in Berlin, anti-Semitism at universities and her wishes for 2025

von Joshua Schultheis  27.12.2024

Nahost

Israel greift bei libanesisch-syrischem Grenzübergang an

Ziel sei Infrastruktur der Terrormiliz Hisbollah gewesen

 27.12.2024

Nahost

UN-Chef ruft Israel und Huthi-Terrormiliz zu Deeskalation auf

António Guterres nennt die neuesten israelischen Luftangriffe »besonders alarmierend«

 27.12.2024

Nahost

Tote nach israelischen Angriffen im Jemen

Nach Angaben von Israels Armee griff die Luftwaffe Infrastruktur der Huthi-Miliz am internationalen Flughafen der Hauptstadt Sanaa an

 28.12.2024 Aktualisiert

Kultur

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 19. Dezember bis zum 2. Januar

 23.12.2024