Bileam

Sprachrohr

von Moishe Baumel

Im Wochenabschnitt Balak wird der berühmte heidnische Prophet Bileam beauftragt, das gesamte jüdische Volk zu verfluchen. Der Auftraggeber ist kein anderer als der König von Moaw, Balak ben Zippor, nach dem der Wochenabschnitt benannt ist.
Furcht vor dem jüdischen Volk war das, was den König dazu veranlasste, es vom Propheten Bileam verfluchen zu lassen: »Und es sah Balak ben Zippor all das, was Israel dem emoritischen Volk angetan hatte. Und es fürchtete sich Moaw sehr vor dem (jüdischen) Volk« (4. Buch Moses 22, 2,3)
Og, der König von Baschan, und Sichon, der König von Emor, die wohl meistgefürchteten Könige der Umgebung des Landes Kenaan, wurden mit Leichtigkeit vom jüdischen Volk im Kampfe besiegt. Moaw hatte viele gute Gründe, sich um den Fortbestand der eigenen Existenz zu sorgen. Es fehlte nur ein genauer Plan, eine Taktik, die das jüdische Volk in die Knie zwingen sollte, das Know-how eines Krieges der besonderen Art.
Schnell begriff Balak, dass in diesem Fall ein bewaffneter Krieg aussichtslos sein würde, da er es hier nicht mit einem Volk zu tun hat, dessen Kraft im Physischen verborgen liegt, sodern dessen Erfolg vielmehr auf geistigen Kräften basiert, die sich zwar in physischer Überlegenheit ausdrücken, in ihrer Wurzel aber einzig und allein geistiger Natur sind. Balak sah, dass er eine andere Art der Kriegsführung ins Leben rufen musste.
Raschi, der wohl berühmteste Torakommentator des frühen Mittelalters, bemerkt zur Textstelle, in der sich der König von Moaw mit den Ältesten des Königreiches von Midjan unterhält (4. Buch Moses 22,4), es sei sehr verwunderlich, dass Moaw und Midjan sich miteinander beraten, ja sogar gegen das jüdische Volk sich verbünden. Denn aus anderen Textstellen (1. Buch Moses 36,35) geht hervor, dass die beiden Mächte einander feindlich gesinnt waren.
Raschi erklärt das Phänomen dieses Bündnisses damit, wie es tragischerweise in der jüdischen Geschichte oft der Fall war, dass die Furcht vor dem jüdischen Volk und der daraus folgende Hass sogar die größten Feinde zusammenbrachte, um sich gegen das jüdische Volk zu verbünden.
Midjan war genau die richtige Adresse, an die sich Balak ben Zippor wenden sollte, um einen Plan zu schmieden, wie man am besten gegen das jüdische Volk antritt. Denn wer könnte besser als Midjan wissen, wo die Schwachstellen des jüdischen Volkes liegen? Waren es doch die Ältesten von Midjan mitsamt ihrem Hohepriester Jitro, Mosches Schwiegervater, die Mosche bei seiner Flucht aus Ägypten, nachdem er den ägyptischen Wachmann getötet hatte, mehrere Jahre lang bei sich im Lande Unterschlupf gewährten und ihn versorgten.
Zwar war Jitro der Einzige, der Mosche in allem treu blieb, doch Midjans Älteste kannten Mosches Kräfte und Schwächen genauso gut. Und so enthüllten sie Moaw die Geheimwaffe des jüdischen Volkes: der Prophet Mosche, der im direkten Kontakt durch Prophetie mit G’tt in Verbindung steht. Es sind Mosches Lippen, die das Gebet sprechen und den Segen vom Ewigen für das jüdische Volk erbitten und somit der Allmächtige, der für das jüdische Volk im Krieg streitet und die Feinde Israels besiegt.
Moaw musste also einen anderen Propheten finden, einen, dessen prophetische Kraft mit der Mosches gleichzusetzen war. Doch im Gegensatz zu Mosche, der vom Ewigen stets nur Segen und Erfolg für das jüdische Volk erbittet, sollte der andere Prophet Fluch und Zerstörung über die Kinder Israels bringen. Bileam ben Beor war dieser Prophet.
»Und es schickte (Balak) Botschafter zu Bileam ben Beor und sagte: ›Siehe, ein Volk zog aus Ägypten raus ... Komm, und bitte verfluche mir dieses Volk ..., denn ich weiß, dass alles, was du segnest, gesegnet ist, und alles, was du verfluchst, ist verflucht« (4. Buch Moses 22, 5,6).
Die Weisen im Midrasch Bamidbar Rabba (14,34) kommentieren den Vers: »Und nie wieder ist in Israel jemals ein Prophet wie Mosche auferstanden« (5. Buch Moses 34,10) wie folgt: In Israel ist so ein Prophet wie Mosche nie wieder auferstanden, aber dafür bei den anderen Völkern. Es war Bileam. Er besaß die gleichen geistigen Kräfte wie Mosche, der größte Prophet in der Geschichte des jüdischen Volkes. Nur er allein hätte die Kraft das jüdische Volk zu verfluchen.
So stellt sich die Frage, wenn Bilaem doch auf einer so hohen geistigen Stufe war, warum ist es ihm dann missglückt, die Kinder Israels zu verfluchen? Warum hatte sein Fluch keine Wirkung so wie das Gebet und der Segen von Mosche, welche der Ewige immer erhörte? Hat denn Balak nicht selbst gesagt: »... all das, was du (Bileam) segnest, ist gesegnet, und alles, was du verfluchst, ist verflucht« (4. Buch Moses 22,6)?
Sowohl Midjan als auch Moaw waren götzendienende Völker. Es waren die Statuen ihrer Götzen, denen sie Macht zusprachen, es waren die von Menschenhand geformten Figuren, die sie anbeteten. Es war die physische Gottheit, die im Mittelpunkt des Geschehens stand. Ein Prophet, ein Mensch aus Fleisch und Blut, wurde nicht selten auch als eine Art Gottheit verehrt. Dies war Balaks großer Irrtum. Er dachte, Mosche, der Prophet Israels, sei derjenige, der mit der Kraft seines Mundes segnet, er sei die Quelle des Segens, und der Ewige sei ihm nur eine Stütze, eine Art Helfer. Deshalb glaubte er, dass sowohl Bileam als auch Mosche g’ttliche Kräfte besäßen.
Doch Bilaem, nachdem es ihm misslungen war, das jüdische Volk zu verfluchen, erwiderte Balak, der sich darüber aufregte, dass er das Volk segnete und nicht wie gewollt verfluchte: »Wie soll ich fluchen, dem der Ewige nicht flucht? Wie soll ich schelten, den der Herr nicht schilt?« (4. Buch Moses 23,8). Die Antwort ist mehr als verständlich: Es ist einzig und allein der Ewige, der entscheidet, wer gesegnet und wer verlucht wird. Der Prophet ist lediglich ein Mittelsmann, der die Information und die Lehre G’ttes an das Volk weiterleitet. Ein Prophet kann zwar um Segen bitten, aber die Entscheidung, ob ein Segen eintritt, liegt nur bei der Quelle dieses Segens, nämlich bei G’tt selbst.
Die Kinder Israels haben in der Wüste G’ttes Segen verdient, und niemand war in der Lage, dies aufzuhalten, nicht einmal Bilaem, einer der größten Propheten der Menschheitsgeschichte. Er wollte fluchen, aber sein Fluch wurde zum Segen, so wie es steht: »Und er hob an seinen Spruch und sprach: ›Stehe auf Balak und höre! Nimm zu Ohren, was ich sage, Sohn Zippors! G’tt ist nicht ein Mensch, dass er lüge, noch ein Menschenkind, dass er etwas bereut. Sollte er etwas sagen und nicht tun? Sollte er etwas reden und nicht halten? Siehe, zu segnen wurde ich (von G’tt) hergebracht; ER segnet, und ich kann es nicht ändern‹« (4. Buch Moses 23, 18-20).

Der Autor studiert am Rabbinerseminar der Jeschiwa »Beit Zion« in Berlin.

Wittenberg

Luthergedenkstätten untersuchen ihre Sammlung auf NS-Raubgut

Zwischen 1933 und 1945 erworbene Objekte werden analysiert

 19.02.2025

Braunau

Streit über belastete Straßennamen im Hitler-Geburtsort

Das österreichische Braunau am Inn tut sich weiter schwer mit seiner Vergangenheit. Mehrere Straßen tragen nach wie vor die Namen bekannter NS-Größen. Das soll sich nun ändern

 13.02.2025

Bund-Länder-Kommission

Antisemitismusbeauftragte fürchten um Finanzierung von Projekten

Weil durch den Bruch der Ampel-Koalition im vergangenen Jahr kein Haushalt mehr beschlossen wurde, gilt für 2025 zunächst eine vorläufige Haushaltsplanung

 12.02.2025

Österreich

Koalitionsgespräche gescheitert - doch kein Kanzler Kickl?

Der FPÖ-Chef hat Bundespräsident Van der Bellen über das Scheitern der Gespräche informiert

 12.02.2025

Düsseldorf

Jüdische Zukunft: Panel-Diskussion mit Charlotte Knobloch

Auf dem Podium sitzen auch Hetty Berg, Armin Nassehi und Philipp Peyman Engel

 11.02.2025

Sport

Bayern-Torwart Daniel Peretz trainiert wieder

Der Fußballer arbeitet beim FC Bayern nach seiner Verletzung am Comeback

 09.02.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  05.02.2025

USA/Israel

Trump empfängt Netanjahu im Weißen Haus

Als erster ausländischer Staatsgast in Trumps zweiter Amtszeit kommt der israelische Regierungschef nach Washington. In dem Republikaner hat der israelische Besucher einen wohlwollenden Unterstützer gefunden

 04.02.2025

Düsseldorf

Igor Levit: Bin noch nicht fertig mit diesem Land

Am Klavier ist er ein Ausnahmekönner, in politischen Debatten meldet er sich immer wieder zu Wort. 2020 erhielt der jüdische Künstler das Bundesverdienstkreuz - das er nun nach eigenen Worten fast zurückgegeben hätte

 03.02.2025