Viktor Grajewski

Spion wider Willen

Spion wider Willen

Viktor Grajewski brachte
Chruschtschows Geheimrede nach Israel

Der Mann, der Chruschtschows Geheimrede über die Verbrechen Stalins im Westen bekannt machte, ist tot. Viktor Grajewski, Israeli polnischer Abstammung, starb im Alter von 82 Jahren in Jerusalem, wie die israelische Tageszeitung Haaretz berichtet.
Auf dem 20. Parteitag der KPdSU 1956 hielt der Nachfolger Stalins, Nikita Chruschtschow, seine berühmte »Geheimrede«, in der er einige der Verbrechen aus der Stalinzeit zugab, seine eigene Rolle dabei aber verschwieg. Zu der Rede waren nur loyale Parteimitglieder zugelassen, Journalisten waren verboten. Von der Rede sollte außer zuverlässigen Parteikadern niemand erfahren. Kopien der Rede gingen an die Staatschefs der übrigen sozialistischen Länder.
Viktor Grajewski, polnischer Kommunist und Redakteur einer Regierungszeitschrift, war mit der Sekretärin des Vorsitzenden der Polnischen Vereinigten Arbei- terpartei befreundet. Auf deren Schreibtisch entdeckte er eine Mappe mit der Aufschrift »Streng geheim«. Er nahm die Mappe an sich und begann zu lesen. Es handelte sich um Chruschtschows Geheimrede. Als er sich von dem Schock erholt hatte, beschloss er, dass der brisante Text den westlichen Regierungen bekannt gemacht werden müsse. Dort hatte man zwar von der Rede gehört, wusste aber nichts Genaues.
Grajewski begab sich in die israelische Botschaft in Warschau und ließ die Blätter dort fotokopieren. Die Botschaft gab die Kopien an den israelischen Geheimdienst Shin Bet weiter. Dessen Chef Amos Manor sandte das Konvolut mit Erlaubnis des Premierministers David Ben Gurion an die CIA, die für den originalen Wortlaut der Rede eine Belohnung von einer Million Dollar ausgesetzt hatte. Grajewski sah davon keinen Cent. Amos Manor sollte Grajewskis Aktion später als Israels größten Geheimdienstcoup bezeichnen, der die Freundschaft mit den USA vertieft habe.
Ein Jahr danach, 1957, emigrierte Grajewski nach Israel. Nach einer kurzen Phase als Angestellter des Außenministeriums arbeitete er bis 1971 für den Shin Bet. Noch im August dieses Jahres bekam er von Yuval Diskin, dem heutigen Shin-Bet-Chef, eine Dankesurkunde für seine Verdienste um den Staat Israel überreicht. Grajewski wurde am vergangenen Sonntag auf dem Friedhof Har Hamenuhot in Jerusalem beigesetzt. Ingo Way

Kultur

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