von Alfred Bodenheimer
In der festlichen Stimmung der Einweihungsopfer der Priester ereignet sich eine Katastrophe: »Und die Söhne Arons, Nadaw und Awihu, nahmen ihre Räucherpfannen, gaben Feuer in sie hinein und brachten vor Gott ein fremdes (nach Buber und Rosenzweig: ungehöriges) Feuer, das er ihnen nicht befohlen hatte. Da ging ein Feuer heraus vor Gott, und es verzehrte sie und sie starben vor Gott. Und Moses sprach zu Aron, Das ist es, was Gott gesagt hat: Durch meine Nahen werde ich geheiligt und vor dem ganzen Volk werde ich geehrt, und Aron schwieg.«
Vieles ist zu dieser Stelle gesagt worden. Sprechend sind eigentlich schon die Namen der beiden Söhne Nadaw, »der Gaben Austeilende« und Awihu – »Er ist mein Vater«. Die Zusammensetzung der beiden Namen klingt beinahe wie ihr Motiv. Es gehe darum, Gott eine Gabe darzubringen, es mag aber auch darum gehen, von Gott eine Gabe zu erzwingen. Nadaw und Awihu, so erklären es etliche Kommentatoren, wollten mehr als gestattet war. Sie wollten etwas »Ungehöriges«. Jeder kam mit dem Anspruch auf Autonomoie in jenem Bereich, in welchem es keine Autonomie geben kann. Sie sind nach mancher Meinung auch jene Nahen, die Gott heiligen. Gott seinerseits schickt ein Feuer, das nicht einfach nur blanke Vernichtung ist. Die Formel »ein Feuer ging heraus vor Gott, und es verzehrte« steht unmittelbar vor der Episode Nadaws und Awihus im Zusammenhang mit den priesterlichen Opfern. Dasselbe Feuer, das dort Ausdruck von Gottes Wohlgefallen ist, trifft hier auf die Opfernden selbst. Es scheint gleichzeitig die härteste Bestrafung zu sein und Ausdruck eines göttlichen Wohlgefallens, das so stark ist, dass ein Mensch es lebend nicht erfahren könnte.
Interessanterweise steht nicht geschrieben, wie Gott – in menschliche Verstehensformen übertragen – auf diese Tat emotional reagiert hat. Es wäre denkbar, dass eine Formulierung steht wie »es entbrannte sein Zorn« oder »es war ihm ein Gräuel«, aber es steht nur etwas von dem Feuer, das entsprechend der Feuergabe, die »vor (hebr. »lifne«) Gott« gebracht wird, auch »vor (hebr. »milifne«) Gott« heraustritt, wobei die Vorsilbe »mi« im zweiten Fall doch auf die Herkunft des Wortes hinweist – vor und von Gott. Hinzukommt, dass die Gabe selbst – »ein fremdes Feuer« – eigenartig umschrieben ist. Würden wir nicht eher den Begriff »ein Räucherwerk« erwarten? Vielleicht ist das Fremde daran gerade, dass es kein Räucherwerk (hebr.: »ktoret«) ist, sondern gewissermassen ein reines Feuer, das eigentlich weder ein vorgeschriebenes noch ein nicht vorgeschriebenes Opfer ist, sondern überhaupt kein Opfer. Vielmehr widerspiegelt es das Bedürfniss, Gott im Feuer zu treffen. Und es gelingt! Auch Gott antwortet mit dem Feuer.
Die Frage, ob Nadaw und Awihu so enden mussten für das, was sie taten, lässt sich aus dieser Sichtweise heraus aufheben. Sie konnten nicht anders enden. Sie provozierten jene göttliche Reaktion, die erfolgte – denn was hätte anderes geschehen sollen? Für das Volk war dieses Ereignis eine Katastrophe, und als solche wird es auch weiter tradiert. Auch wer Nadaw und Awihu großen menschlichen Rang zuschreibt, sieht ihr Straucheln in dem »Zuviel« begründet, das sie wollten. Nadaw und Awihu wollten aber wohl vor allem eins: Sie wollten Gott so begegnen, wie er ihnen (in Form der dem Volk in der Nacht Gottes Beistand versichernden Feuersäule) begegnet war, mit einem Feuer. Sie wollten Gaben wie der göttliche Vater austeilen und erhielten eine entsprechende Gabe zurück. Dass sie dafür mit dem Leben bezahlten, war vielleicht nur in zweiter Linie eine Lehre fürs Volk, dass es im Opfern, in jener äußersten Bestätigung der Anerkennung Gottes, keine Freiräume der Autonomie geben kann. In erster Linie war der Tod Nadaws und Awihus im göttlichen Feuer die Bestätigung dafür, dass es überhaupt nur ein gegenständliches Opfer und kein Feuer sein kann, das vom Menschen vor Gott dargebracht werden kann. Will der Mensch geben, wie Gott gibt, so entkleidet er diese Beziehung im wahrsten Sinne ihrer Lebendigkeit. Das göttliche Feuer tritt, auf das menschliche Opfer reagierend, aus, doch es findet nur einen, den es verbrennen kann – den Opfernden selbst.
Schmini: 3. Buch Moses 9,11 – 11,47