Wir sind in der Pflicht
von Andreas Schockenhoff
Deutschland steht in der Verpflichtung, einen Beitrag zur Sicherung des Existenzrechts Israels zu leisten. Die Verabschiedung der Libanon-Resolution des UN-Sicherheitsrats ist ein wichtiger Schritt, um die militärischen Auseinandersetzungen zu beenden und die Autorität der libanesischen Regierung zu stärken. Der Angriff auf die Nordgrenze Israels und die Entführung von zwei israelischen Soldaten durch die Hisbollah zielte darauf, die schwierigen Bemühungen um eine Stabilisierung des Nahen Ostens zu torpedieren. Das ist nicht hinnehmbar. Deshalb muß der Auftrag des Sicherheitsrates umgesetzt werden, die Hisbollah zu entwaffnen – auch um dem Iran ein Mittel zu nehmen, seine Drohungen gegen Israel umzusetzen.
Europa und Deutschland haben ein besonderes Interesse an der Befriedung des größeren Nahen Ostens. Ohne eine Regelung des Nahost-Konflikts wird es nicht möglich sein, in dieser Region Frieden, Sicherheit und Wohlstand zu schaffen und die dort wurzelnden akuten Probleme des islamistischen Terrorismus zu bewältigen. Konflikte dort wirken sich unmittelbar auf unsere Sicherheit aus. Europa will deshalb zur Entwicklung eines gemeinsamen Raumes des Friedens, der Menschenrechte und des Fortschritts beitragen. Die Verwirklichung der Libanon-Resolution liegt damit im deutschen Sicherheitsinteresse.
Die Frage, ob Deutschland dabei einen militärischen Beitrag leisten sollte, kann nur auf der Grundlage klarer Fakten beantwortet werden. Hier besteht noch Klärungsbedarf. Das betrifft zum ersten die Notwendigkeit eines klaren Operationskonzepts für die Friedenstruppe sowie die Klärung der Frage, wer UNIFIL führt und welche eigenen Befugnisse sie zur Um-
setzung der Sicherheitsratsresolution hat. Werden zweitens zur Erfüllung der in der Sicherheitsratsresolution genannten Ziele und Aufgaben spe-zifische deutsche militärische Fähigkeiten gebraucht und kann die Bundeswehr sie leisten? Wird drittens von den Konfliktparteien ein deutscher militärischer Einsatz gewünscht? Hier hat es wiederholt Äußerungen von israelischer Seite – insbesondere von Ministerpräsident Olmert - gegeben, daß eine Teilnahme deutscher Soldaten begrüßt würde. Wieweit kann viertens ein Ende des Einsatzes umrissen werden, was gerade angesichts der hohen Belastung der Bundeswehr durch acht Auslandsseinsätze eine wichtige Frage ist.
Wenn diese vier Fragen geklärt sind, dann sollte Deutschland einen militärischen Beitrag zur UNIFIL-Friedenstruppe leisten. Beispielsweise könnte dies ein Beitrag zur Grenzsicherung zu Wasser oder zu Lande sein, um Waffenschmuggel zu unterbinden, oder es könnte logistische oder Aufklärungs-Hilfe geleistet werden.
Der UN-Sicherheitsrat richtet sich mit seinem Auftrag, die Hisbollah zu entwaffnen und das Verbot von Waffenlieferungen an die Milizen in der Konfliktregion sicherzustellen, auch gegen diejenigen, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen. Der Deutsche Bundestag hat wiederholt das Existenzrecht Israels betont. Zuletzt haben alle Fraktionen im Mai 2005 anläßlich von 40 Jahren deutsch-israelischer diplomatischer Beziehungen erklärt: »Aufgrund der historisch-moralischen Verant-
wortung Deutschlands für die Schoa wird das Existenzrecht des Staates Israel immer unverrückbare Grundposition deutscher Politik bleiben. Der Deutsche Bundestag bekräftigt erneut, daß das Recht der Bürger Israels, in sicheren Grenzen frei von Angst, Terror und Gewalt leben zu können, für uns einen elementaren Bestandteil der Solidarität und Freundschaft mit Israel darstellt«. Das ist Auftrag und Verpflichtung.
Nicht vorstellbar
von Claudia Roth
Deutschland kann, muß und wird einen verantwortlichen und aktiven Beitrag zu einer friedlichen Lösung im Nahen Osten leisten – nicht zuletzt aufgrund der historischen Verantwortung. Es ist ein Gebot der Glaubwürdigkeit der deutschen Außenpolitik, die sich in den letzten Jahren in der Region ein hohes Ansehen erarbeitet hat, den Friedensprozeß nach Kräften zu unterstützen.
Eine verantwortungsvolle Rolle Deutschlands darf sich aber nicht auf eine militärische Beteiligung reduzieren. Es wäre von hinten nach vorne gedacht, zu überlegen, wie und wo die Bundeswehr zum Einsatz kommen könnte.
Die Debatte um eine militärische Beteiligung deutscher Soldaten lenkt davon ab, was jetzt sofort getan werden kann und sogar muß. Wir brauchen jetzt eine diplomatische, eine humanitäre und eine ökologische Offensive.
Ich begrüße das Zustandekommen der vorliegenden UN-Resolution. Die Resolution ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Lösung der aktuellen Krise. In Zukunft wäre es allerdings wünschenswert, daß die Weltgemeinschaft in solchen Fragen schneller handlungsfähig wird. Hier teile ich die Kritik von UN-Generalsekretär Kofi Annan am Sicherheitsrat.
Wir brauchen eine diplomatische Großoffensive zur Umsetzung der Resolution, damit der Waffenstillstand von Dauer ist. Und wir benötigen einen umfassenden Friedensplan für den Nahen Osten. Ein solcher Friedensplan muß das Existenzrecht Israels garantieren, einen eigenständigen palästinensischen Staat ermöglichen, den libanesischen Staat stärken und die Milizen im Libanon entwaffnen.
Mit dem Ende der Kampfhandlungen hat die schnelle humanitäre Hilfe Priorität. Die vielen Flüchtlinge brauchen unsere Unterstützung. Ich werde selbst noch in dieser Woche mit dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Josef Winkler nach Syrien reisen, um mir höchstpersönlich ein Bild von der Lage der vielen Flüchtlinge zu machen. Die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten für die im südlichen Libanon verbliebenen Menschen muß umfassend gewährleistet werden.
Die Infrastruktur, besonders die Straßen und Bücken sind schnellstmöglich zu reparieren, damit die Flüchtlinge heimkehren können. Ich begrüße daher die Initiative der schwedischen Regierung zu einer Hilfskonferenz, die Ende August in Stockholm stattfinden soll. Auch der deutschen Regierung hätte eine solcher Vorstoß gut zu Gesicht gestanden.
Viel zu wenig Beachtung findet das zur Zeit stattfindende ökologische Desaster. 170 Kilometer der libanesischen und syrischen Küste sind bereits mit Öl verseucht. Es handelt sich um eine der schwersten Umweltkatastrophen im Mittelmeer, sie raubt Fischern die Lebensgrundlage und bedroht die Artenvielfalt im Mittelmeer.
Derzeit dreht der gewaltige Ölteppich entgegen dem Uhrzeigersinn, was bedeutet, daß bei einer weiteren Verzögerung der Hilfsmaßnahmen selbst Länder wie die Türkei von einer Umweltkatastrophe bedroht sind. Nach derzeitigen Schätzungen sind rund 15.000 Tonnen Schweröl ins östliche Mittelmeer geflossen. Sie stammen aus einem Tank des Energiewerks in Dschije, das bei einem Raketenangriff getroffen wurde.
Bis zum jetzigen Zeitpunkt kann der Ölteppich vor der Küste des Libanons noch immer nicht bekämpft werden. Hilfeleistungen können aber erst dann erfolgen, wenn die Sicherheit der Helferinnen und Helfer garantiert ist und die bestehende Seeblockade aufgehoben wird. Bei der Bekämpfung des Ölteppichs könnte Deutschland einen wichtigen nicht-militärischen Beitrag leisten.
Wir Grüne sagen aber auch, auf Grundlage einer klaren Anforderung der Vereinten Nationen, die es nicht gibt, ist es richtig, über eine mögliche militärische Be-
teiligung Deutschlands zu debattieren. Jetzt aber vom Feldherrenhügel einen Persilschein für deutsche Soldaten an den Grenzen Israels auszustellen, wie es der SPD Vorsitzende Kurt Beck und Verteidigungsminister Franz Jung getan haben, halte ich für unverantwortlich. Die beiden haben sich da sehr weit aus dem Fenster gelehnt.
Ich kann mir persönlich nicht vorstellen, daß ein deutscher Soldat in einen Einsatz gehen kann, bei dem die Möglichkeit besteht, daß er auf Israelis schießen muß. Ich bin mir sicher, daß die schwierige Situation Deutschlands auch bei den Vereinten Nationen allen bewußt ist.
Es ist doch ein Unterschied, ob Truppen zur Lösung eines Konflikts mit Beteiligung Israels aus Deutschland kommen, aus dem Land, das den Holocaust verschuldet hat, oder einem anderen Land angefordert werden. Der Libanon-Einsatz ist für die Bundesrepublik Deutschland eben nicht dasselbe wie ein UN-Einsatz in Afghanistan oder im Kongo.