von Hartmut Ziesing,
Ute Weinmann,Silja Schultheis, Veronika Wengert und
Jutta Sommerbauer
polen: Mit einer Schweigeminute haben jüdische und nichtjüdische Warschauer jüngst der israelischen und libanesischen Opfer des Krieges im Nahen Osten gedacht. Mehrere hundert Menschen versammelten sich zu einer Solidaritätsdemonstration vor der Nozykow-Synagoge in Warschau, dem einzigen erhaltenen Gotteshaus der Stadt. »Dies ist eine Unterstützung des Rechts Israels zur Verteidigung vor dem Terrorismus und vor den Terroranschlägen«, sagt Edwin Guznar, einer der Organisatoren der Solidaritätsdemonstration von der polnischen Stiftung »Hoffnung für die Zukunft«. Unter den Teilnehmern befanden sich viele Mitglieder der Warschauer jüdischen Gemeinde, wie deren Vorsitzender Piotr Kadlcik unterstreicht. »Diese Solidaritätskundgebung war ein erster Schritt – noch in dieser Woche beraten wir mit der israelischen Botschaft in Polen, welche Möglichkeiten der konkreten Unterstützung die jüdische Gemeinde Warschaus anbieten kann«, sagte Kadlcik im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. »Auf jeden Fall werden schon in wenigen Tagen Mitglieder unserer Gemeinde an den europäischen Solidaritätsreisen nach Israel teilnehmen, die unter anderem das American Jewish Committee organisiert«, berichtet der Vorsitzende.
Konkrete Unterstützung leistet auch die zentralpolnische Stadt Lodz: In Zusammenarbeit mit der dortigen jüdischen Gemeinde hat der Stadtpräsident Jerzy Kropiwnicki 15 Kinder aus Naharia nach Lodz eingeladen, damit sie dort gut zwei Wochen lang Abstand vom Krieg gewinnen können. »Unser Vorhaben fand sofort die Unterstützung durch die Kanzlei des polnischen Präsidenten und des polnischen Außenministeriums«, betont Jaroslaw Nowak, Leiter des Büros für internationale Zusammenarbeit der Stadt. Seit Sonntag wohnen die Kinder auf Einladung der jüdischen Gemeinde Lodz in deren Gästehaus und haben bereits etwas über die Geschichte der Juden der Stadt gelernt. »Aber hauptsächlich wollen wir, daß die Kinder sich vom Krieg erholen können«, betont Nowak. Deshalb stehen hauptsächlich Ausflüge, Reiten und Kajakfahrten auf dem Programm, das von vielen lokalen Firmen finanziell unterstützt wird. »Wir haben auch 15 Kinder aus Südlibanon zu uns nach Lodz eingeladen«, berichtet Nowak, »im Moment warten wir darauf, daß eine polnische Militärmaschine in Beirut landen und die Kinder mitnehmen kann.«
rußland: Im Moskauer Gemeindezentrum in der Wyscheslawtsewgasse fand hingegen bereits Ende Juli ein Friedensgebet für die israelischen Geiseln und Soldaten statt, unter Teilnahme von 500 Menschen, darunter auch des israelischen Botschafters in Rußland. Das regionale Büro des Weltkongresses des russischsprachigen Judentums in Moskau koordiniert die Sammlung von Spenden aus dem ganzen Land. Die Gelder sollen Familien zugute kommen, welche sich zur Aufnahme von Menschen bereit erklärt haben, die aus den von der Hisbollah beschossenen Gebieten im Norden Israels geflüchtet waren. »Rußlands Rolle als Vermittler im Nahostkonflikt sollte wesentlich größer und gewichtiger sein«, meint Timur Kirejew, Pressesprecher des Verbandes jüdischer Gemeinden.
Die Moskauer Zeitung Moskowskij Komsomolets initiierte einen »direkten Draht« zwischen Vertretern jüdischer und palästinensischer Gemeinden in Rußland. Bei einem Lesergespräch äußerten sich beide Seiten für eine schnelle Beendigung des Krie- ges und für einen gemeinsamen Frieden. »Gerade am Beispiel Rußlands«, sagt Kirejev, »kann man sehen, daß Juden und Muslime sehr wohl friedlich zusammenleben können.«
tschechien: In der jüdischen Gemeinde Prag herrschen angesichts des Kriegs im Nahen Osten gemischte Gefühle. Auf der einen Seite betrachte man es als selbstverständlich, Israel moralisch zu unterstützen und erkenne das israelische Recht auf Selbstverteidigung an. Auf der anderen Seite habe man auch Angst um Freunde und Verwandte vor Ort, sagt František Bányai, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Prag. Über den Krieg im Nahen Osten werde in der Gemeinde jetzt viel diskutiert. Er überlege daher, im September eine Podiumsdiskussion mit Experten zum Thema Nahost-Krieg zu veranstalten. Zur Unterstützung Israels gab es in den letzten Tagen mehrere Demonstrationen in Prag, die alle nicht von der jüdischen Gemeinde selbst initiiert wurden. »Wir sind froh, daß auch andere, zum Beispiel christliche Organisationen ihre Unterstützung für Israel zum Ausdruck gebracht haben«, sagt Bányai. Die jüdische Gemeinde plant gegenwärtig eine öffentliche Spendensammlung für Israel, die in den nächsten Tagen anlaufen soll. Bislang fehlt der Gemeinde noch die Genehmigung dazu. Das Interesse an Reisen nach Israel sei in letzter Zeit sicherlich geringer, sagt Bányai. Aber letztlich sei eine solche Reise immer eine individuelle Entscheidung.
kroatien: In Kroatien sind die Reaktionen auf die Ereignisse in Israel unterdessen eher verhalten. Im kollektiven Ferienmonat August sind die Straßen in der Hauptstadt Zagreb wie leergefegt – viele Läden, Restaurants und Cafes haben geschlossen. Entsprechend bleiben Demonstrationen und Protestkundgebungen komplett aus.
Reaktionen aus der Bevölkerung gäbe es jedoch durchaus, sagt Shmuel Meirom, israelischer Botschafter in Kroatien. Er habe E-Mails bekommen, mit teilweise sehr pathetischem Inhalt. Unter den Reaktionen seien auch Angebote von ehemaligen Soldaten des jüngsten Bürgerkriegs in Kroatien gewesen: Man sei sofort bereit, gemeinsam mit Israel gegen die Hisbollah zu kämpfen. Die nötige Erfahrung habe man bereits im Krieg gegen die Serben gesammelt, zitiert Meirom die angebotene Hilfe.
In der jüdischen Gemeinde Zagreb (JGZ) sei man unterdessen sehr besorgt über die Ereignisse in Israel und im Nahen Osten, sagt Vize-Vorsitzender Sasa Cvetkovic. Man informiere sich täglich aus privaten, diplomatischen und anderen Quellen über den Stand der Entwicklung. Gemeindemitglieder, die eine Reise nach Israel geplant hätten, seien davon nicht abgekommen, soweit ihm bekannt sei. Allein in den vergangenen drei Wochen habe die JGZ drei Dienstreisen nach Israel unternommen. Cvetkovic selbst hat sich der Solidaritätsmission der European Jewish Community (EJC) angeschlossen, die sich in Haifa und Nordisrael ein Bild von den Ereignissen vor Ort gemacht hat.
bulgarien: »Die Mehrheit der bulgarischen Juden hat Verwandte in Israel, deren Kinder an der Front sind«, erklärt Emil Kalo, Präsident der Vereinigung der bulgarischen Juden »Schalom«. »Natürlich ist die jüdische Gemeinde durch die Attacken der Hisbollah sehr beunruhigt.« Stimmen gegen den israelischen Militäreinsatz gebe es nicht, sagt Kalo. Von Reiseabsagen nach Israel hat er allerdings auch nichts gehört.
400 Teilnehmer fanden sich vergangene Woche auf einer von arabischen und libanesischen Gruppen organisierten Anti-Kriegskundgebung ein, auf der auch anti-israelische Sprüche zu hören waren. Für Emil Kalo ist das dennoch kein Grund zur Besorgnis. Er ist überzeugt, daß es bei einer jüdischen Demonstration mehr Unterstützung geben würde. Bislang habe man aber noch nicht zu Solidaritätsaktionen gegriffen. »Das ist nicht unsere Art der Meinungsäußerung«, sagt Kalo. »Wir zeigen unsere politische Einstellung auf eine andere Weise.« Bei einem Treffen mit dem bulgarischen Außenminister Ivailo Kalfin hatte Kalo kürzlich eine bulgarische Deklaration kritisiert, in der die Militärschläge von Kana als »unverhältnismäßig« und »blutig« charakterisiert wurden. »Das Schriftstück war einseitig und nannte nicht die Ursachen für den Angriff«, meint Kalo. Der Außenminister habe ihm jedoch versichert, daß Bulgarien nach wie vor zu Israel stehe.