von Hannes Stein
Verglimmende Abendröte stürzender Zeit! Chaos, Krisen, Katastrophen! Schlimme Nachrichten für das bürgerliche Jahr 2008 überbringe ich vom anderen Ufer des Atlantik, wohin ich gerade eben ausgewandert bin. An Europa glaubt hier in Amerika nur noch eine Schar linksliberaler Intellektueller, die in New York ihren Caffè Latte schlürft. Amerikanische Konservative dagegen meinen: Es sei clear as mud, dass die Alte Welt ihrem Ende entgegenschlurft. Unterschiedliche Ansichten gibt es nur noch über die Frage, was das bedeutet. Und wer auch immer im November die amerikanische Präsidentschaftswahl gewinnen wird – niemand, der im Weißen Haus sitzt, wird sich noch groß um Europa kümmern. Ganz andere Weltregionen rücken in den Brennpunkt des Interesses: Indien, das als säkulare Demokratie seinen eigenen »Krieg gegen den Terror« führt. Pakistan, das sich nach dem Mord an Benazir Bhutto bald vollends in eine Al-Qaida-Hochburg verwandeln könnte. Und der Nahe Osten ist den USA ohnehin immer ganz nah.
Europa ist in jedem Fall am Ende – aus drei Gründen: erstens wegen der Demografie, zweitens wegen der Demografie und drittens wegen der Demografie.
Erstens: Die Europäer haben im Großen und Ganzen aufgehört, für Nachwuchs zu sorgen. Das bedeutet, dass ihre Sozialsysteme schon bald komplett in der Luft hängen. Wenn ein Land den Hauptteil seines Bruttosozialprodukts dafür aufwenden muss, Renten zu finanzieren, dann heißt das in klares Deutsch übersetzt: Die Gesellschaft bricht zusammen wie eine klapprige Holzbrücke, über die mit Vollgas ein Tanklastzug brettert.
Zweitens: Gerade weil Europa demografisch kippt, wird es zusehends unmöglich, die notwendigen Reformen einzuleiten, damit der Zusammenbruch sich wenigstens sanft gestaltet. Alte Leute sind bekanntlich halsstarrig. Außerdem werden sie mit Krückstock und ausgestöpseltem Hörgerät ihre Privilegien verteidigen – ganz egal, wie die schrumpfende Zahl von Jüngeren das findet.
Drittens: Um das Elend komplett zu machen, beherbergt Europa eine Gruppe, die keineswegs schrumpft, sondern demografisch heftig expandiert. Was immer man sonst noch über den Islam behaupten mag (Religion des Friedens undsoweiter): Es handelt sich hier um eine imperiale Doktrin. Juden wollten immer nur in den Ländern, wo sie lebten, in Ruhe gelassen werden und ihre Kinder jüdisch erziehen. Mohammed dagegen trug den Rechtgläubigen auf, für die Verbreitung der einzig wahren Religion zu kämpfen.
Indessen sind nicht alle nicht-muslimischen Europäer so nett, sich von der Scharia – dem islamischen Religionsgesetz – überrollen zu lassen. Es könnte eine harte Gegenreaktion geben. Für Juden bedeutet das: Gute Nacht, Marie! Denn Antisemiten sind im Zweifel beide – die fundamentalistischen Muslime nicht weniger als die Verteidiger der weißen, der christlich-abendländischen Rasse.
Das also wäre das Katastrophenszenario für 2008 und die folgenden Jahre. Und wo, Herr Stein, bleibt das Positive? Mir scheint, dass der europäische Blick auf den Nahen Osten immer unaufgeregter wird. Das böse Israel ist in den Augen von Otto Normalfernsehzuschauer nicht mehr an allem Elend dieser Welt schuld. Und noch etwas Positives: Ich war vor Kurzem in Südkorea.
Der Grund für meine Reise: So ungefähr jedes Wort, das ich je geschrieben habe, ist ins Koreanische übersetzt worden. Sowohl Endlich Nichtdenker! als auch meine Enzyklopädie der Alltagsqualen wurden dort zu Kassenschlagern. Eine Umfrage in meinem Bekanntenkreis ergab: Auch deren Bücher hat man, kaum, dass sie erschienen waren, sofort ins Koreanische übertragen. Naturgemäß machte mich dies misstrauisch. Als ich jetzt in Seoul war, wurde mir mein Verdacht in seiner ganzen festungsartigen Schönheit bestätigt.
Ich habe keinen Zweifel mehr: Die Südkoreaner, die bis gerade gestern noch in einem Agrarland lebten und sich heute auf einem technisch so hohen Niveau befinden, dass eine europäische Langnase sich in einen irren Science-Fiction-Film versetzt fühlt – diese Südkoreaner bereiten mit der ihnen eigenen Sorgfalt den Einmarsch vor. Darum übersetzen die jedes Buch! Mich sollte nicht überraschen, wenn schon 2008 die Panzer von Hyundai einrollen. Sie werden mit Laserkanonen und elektronischen Volltarnungsgeräten ausgerüstet sein.
Ist das gut für die Juden oder schlecht? Sehr gut sogar! Die koreanische Küche ist vorzüglich. Ein Dauer-Barbecue mit Rindfleisch und Knoblauch in rauen Mengen. Auch hat noch kein Mensch je von Antisemitismus aus dieser Ecke der Welt gehört. Vor allem aber wäre eine südkoreanische Invasion das Einzige, was Europa vor seinem Schicksal bewahren kann.