Entwicklung ist Friedenvon Karin Kortmann
Die Ankündigung einer weitreichenden finanziellen Unterstützung der internationalen Gemeinschaft für den Aufbau eines souveränen, demokratischen und lebensfähi- gen palästinensischen Staates ist ein wichtiges Signal zur richtigen Zeit, und sie ist essenziell für den Frieden und die Zukunft der Region. Der mit der Nahostkonferenz in Annapolis eingeleitete Dialogprozess bietet jetzt eine gute Voraussetzung für Frieden im Nahen Osten. Nun gilt es, konkrete Schritte zu unternehmen, um die Friedensverhandlungen zu einem Erfolg zu führen.
Die Menschen in Israel und den palästinensischen Gebieten sind müde und geschunden von Gewalt, Angst und permanentem Ausnahmezustand. Sie müssen spüren, dass sich ihre Lebensumstände und ihr Alltag verbessern. Nur dann werden sie Zuversicht in den Friedensprozess haben und ihn unterstützen.
In den letzten beiden Jahren hat sich die wirtschaftliche und soziale Situation in den palästinensischen Gebieten rapide verschlechtert. Nach jüngsten Schätzungen der Weltbank leben circa 70 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze, die Wirtschaftsleistung pro Kopf liegt um etwa 40 Prozent niedriger als 1999, und für dieses Jahr wird eine Arbeitslosenquote von fast 50 Prozent prognostiziert. Um die dortigen Lebensumstände – auch im weitgehend abgeriegelten und von einer humanitären Krise bedrohten Gasastreifen – rasch zu verbessern, brauchen wir eine Entwicklungs- zusammenarbeit, die der Bevölkerung schnell und spürbar zugute kommt. Gleichzeitig geht es darum, den Aufbau staatlicher und kommunaler Strukturen zu fördern. Stabile Rah- menbedingungen, die Sicherheit und wirtschaftliche Entwicklung in den palästinensischen Gebieten fördern, sind notwendige Voraussetzung für einen erfolgreichen Friedensprozess. Durch mehr Stabilität wird in die Sicherheit Israels und die Zukunft der Palästinensergebiete investiert.
Der von der palästinensischen Regierung unter Premierminister Fajad in wenigen Monaten erarbeitete Reform- und Aufbauplan ist Ausdruck des Willens nach Frieden und Stabilität der palästinensischen Seite. Dafür leistet die deutsche Bundesregierung, die bis 2010 Finanzmittel in Höhe von 200 Millionen Euro in Aussicht gestellt hat, konkrete Unterstützung.
Unsere Zusammenarbeit konzentriert sich auf Beschäftigungsprogramme, den Bau von Schulen, Wasserversorgungssystemen und Kläranlagen. Viele dieser Vorhaben kommen auch der israelischen Be-
völkerung zugute. Alle unsere Vorhaben erfolgen projektgebunden, das heißt, Auszahlungen werden nach Projektfortschritt an den Leistungserbringer getätigt und unterliegen unseren strengen Richtlinien der Mittelverwendung.
Hilfe beim Aufbau staatlicher Strukturen auf kommunaler und gesamtstaatlicher Ebene sowie die Förderung von Organisationen der Zivilgesellschaft ist ein weiterer wichtiger Bestandteil unserer Unterstützung. Mit einem neu eingerichteten Fonds zur Politik- und Reformberatung fördern wir zum Beispiel gezielt Reformen in wichtigen palästinensischen Institutionen. Dies stärkt auch das Vertrauen der Bevölkerung in staatliche Strukturen.
Die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft wird ihre Wirkung aber nur entfalten, wenn alle Seiten ihrer Verantwortung gerecht werden und ihren Beitrag zum Friedensprozess leisten. Dazu gehört auch und vor allem, dass die palästinensische Seite ihre Verantwortung für die Sicherheit Israels wahrnimmt. Gleichzeitig muss Israel praktische Schritte zur Anerkennung eines eigenständigen Staates gehen, sodass die wirtschaftliche Entwicklung der palästinensischen Gebiete durch den Abbau von Absperrungen ermöglicht und der Siedlungsausbau gestoppt wird.
Internationale Unterstützung ist auf Dauer kein Ersatz für eine politische Lösung des Konflikts. Wir müssen den Friedensprozess mit vereinten Kräften weiter voranbringen. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit leistet hierzu ihren Beitrag, indem sie sich dafür engagiert, den Menschen eine Lebensperspektive zu geben.
Geld führt zu Kriegvon Daniel Pipes
Mahmud Abbas und die palästinensische Autonomiebehörde (PA) mit Geld zu überschütten, um Frieden zu erreichen, ist einer der Hauptpfeiler westlicher Nahostpolitik, einschließlich der israelischen, seit die Hamas im Juni 2007 den Gasastreifen an sich gerissen hat. Aber diese Freigebigkeit ist kontraproduktiv und muss dringend gestoppt werden.
Paul Morro vom Forschungsdienst des US-Kongresses berichtet, dass die EU und ihre Mitgliedsstaaten im Jahr 2006 der Autonomiebehörde 815 Millionen US-Dollar überwiesen; die USA gaben 468 Millionen Dollar. Wenn man weitere Geldgeber einbezieht, kommt man insgesamt auf über 1,5 Milliarden Dollar. Und der warme Geldregen hält weiter an. Präsident George W. Bush verlangte im Oktober 2007 eine Aufstockung von 410 Millionen Dollar über die in jenem Jahr bereits gezahlten 77 Millionen Dollar hinaus. Das Außenministerium rechtfertigte diese fürstliche Summe damit, dass es »wichtig ist, unverzüglich eine neue palästinensische Autono- mieregierung zu unterstützen, die die USA und Israel als wirklichen Verbündeten für den Frieden betrachten«.
Zu allem Überfluss startete Außenministerin Condoleezza Rice am 3. Dezember eine »U.S.-Palestinian Public Private Partnership«, die – wie Rice es ausdrückt – »Projekte finanzieren soll, die junge Palästinenser direkt erreichen und sie auf die Verantwortung als Staatsbürger und Führungskräfte vorbereiten«. Und die Europäische Union schleuste, wie ein Bericht nahelegt, 2007 fast 2,5 Milliarden Dollar in die Palästinensergebiete.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas fuhr im Dezember zur internationalen Geberkonferenz in Paris, an der 90 Staaten teilnahmen, mit dem Ziel im Hinterkopf, im Zeitraum der nächsten drei Jahre – also bis 2010 – insgesamt 5,8 Milliarden Dollar an Hilfsgeldern zu sammeln. (Bei geschätzten 1,35 Millionen Palästinensern im Westjordanland käme man so auf die Summe von mehr als 1.400 Dollar pro Kopf und Jahr – in etwa der Jahresverdienst eines Ägypters.) Unter Zustimmung der israelischen Regierung wurde Abbas’ Erwartung auf der Geberkonferenz mit Zusagen über erstaunliche 7,4 Milliarden Dollar (mehr als 1.800 Dollar pro Kopf und Jahr) noch weit übertroffen.
Wenn dieses Geld wirklich dazu dient, einen brandgefährlichen hundertjährigen Konflikt zu beenden, ist es doch gut angelegt, sollte man meinen. Aber neueste Forschungen von Steven Stotsky, einem Wissenschaftler beim Committee for Accuracy in Middle East Reporting in America (CAMERA) belegen, dass ein Zustrom an Geld in die Palästinensergebiete in der Vergangenheit genau den gegenteiligen Effekt hatte. Anhand von Statistiken der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds und anderer offizieller Stellen vergleicht Stotsky für den Zeitraum seit 1999 zwei Zahlen: die Höhe der Hilfsgelder, die die PA jährlich erhält, und die Zahl der palästinensischen Mordanschläge pro Jahr (wobei kriminelle wie terroristische Aktivitäten und israelische wie palästinensische Opfer einbezogen wurden).
Es zeigt sich, dass diese beiden Zahlen positiv miteinander korrelieren. Auf ein Jahr gerechnet, kommt demnach auf etwa 1,25 Millionen Dollar an Entwicklungshilfe ein Mordopfer. Stotsky merkt an: »Diese Statistiken bedeuten nicht, dass Auslandshilfen Gewalt verursachen. Aber sie werfen die Frage auf, wie effektiv Spenden aus dem Ausland sind, wenn damit politische Mäßigung und die Bekämpfung des Terrorismus erreicht werden sollen.«
Dieser Zusam- menhang gilt nicht nur für die Palästinensergebiete. Jean-Paul Azam und Alexandra Delacroix, zwei Wirtschaftswissenschaftler der Universität Toulouse, schrieben 2005 in einem Artikel, sie seien zu dem »ziemlich stichhaltigen empirischen Ergebnis gelangt, dass die Terroraktivität eines beliebigen Landes positiv mit der Höhe der Entwicklungshilfe korreliert, die dieses Land erhält«. Mit anderen Worten: Je mehr Entwicklungshilfe, desto mehr Terrorismus.
Diese Studien stehen der üblichen Annahme entgegen, dass Armut, Arbeitslosigkeit, Unterdrückung, »Besatzung« und sonstige Unpässlichkeiten die Palästinenser zu tödlicher Gewalt zwingen. Im Gegenteil: Je besser die Palästinenser finanziell ausgestattet werden, umso stärker werden sie und umso eher sind sie bereit, zu den Waffen zu greifen.
In Israel hat sich ein verdrehtes Verständnis der Ökonomie des Krieges durchgesetzt, seit 1993 die Oslo-Verhandlungen begannen. Statt ihren palästinensischen Feinden die Ressourcen abzuschneiden, haben die Israelis sie wirtschaftlich gestärkt. 2001 schrieb ich: »Man beliefert den Feind mit Nachschub, während die Kämpfe noch andauern – keine sonderlich schlaue Idee.«
Statt die Kriegslüsternheit der Palästinenser weiterhin zu finanzieren, sollten die Staaten des Westens, angefangen mit Israel, sämtliche Finanzhilfen an die PA unterbinden.