Silbernes Jubiläum
25 Jahre Städtepartner: Dortmund und Netanja
von Ronen Guttman
Im zweiten Stock des Dortmunder Rathauses duftet es nach Vanille. Günther Samtlebe hält die Pfeife fest, drückt mit dem Stopfer den Tabak nach. Dünne Rauchschwaden umwehen ihn. Souvenirs, stumme Zeugen zahlloser Reisen, zieren den massiven Holztisch des ehemaligen Oberbürgermeisters. Einige Andenken stammen aus der israelischen Partnerstadt. »Allein Netanja habe ich zehnmal besucht«, erinnert sich der 80jährige. Er erzählt von den Reisen als Bürgermeister und als Privatmann, von den kulinarischen Genüssen der Stadt am Mittelmeer oder den ausgiebigen Spaziergängen am Strand. Vor allem aber spricht er von Abraham Ben Menachem, dem ehemaligen Kollegen, mit dem ihn eine lange Freundschaft verbindet. »Er hat diese Partnerschaft überhaupt erst angedacht«, sagt Samtlebe. Erste Kontakte zwischen den Städten gab es zwar bereits. Eine Gruppe ehemaliger Dortmunder hatte 1972 auf Einladung des Stadtrates ihre frühere Heimatstadt besucht und deutsche Ingenieure unterstützten Netanja beim Bau eines Eisenhüttenwerkes. Lokale Persönlichkeiten, Stadträte, aber auch die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und die Jüdische Gemeinde Dortmund gründeten einen Förderverein, der für finanzielle Mittel und für ideelle Unterstützung sorgen sollte. Doch die Erinnerung an den Holocaust war allgegenwärtig. »Erst nach Widerständen im Stadtrat Netanjas konnte Ben Menachem seinen Vorschlag durchsetzen«, berichtet Samtlebe. 1981 wurde die Städtefreundschaft mit der Unterzeichnung der Urkunde besiegelt.
Damals sei er das erste Mal nach Israel gereist. »Mit Herzlichkeit« sei er aufgenommen worden, betont er. Seine eigene Vergangenheit war bekannt. »Als junger Pimpf« war er mit Begeisterung der Hitler Jugend beigetreten und später als Soldat am Krieg beteiligt. Aber gerade der offene und kritische Umgang mit der deutschen und persönlichen Vergangenheit habe ihm viel Kredit eingebracht, mutmaßt der Sozialdemo- krat heute. »Dennoch war Yoel Elroy zunächst strikt gegen diese Partnerschaft«, erzählt Samtlebe von Ben Menachems Nachfolger als Netanjas Bürgermeister. Aber schließlich wuchs eine tiefe Freundschaft auch zu ihm. »Er lud mich in seine Familie ein und wir besuchten gemeinsam einen Soldatenfriedhof in Israel.« Eine Ehre, die ihm als erstem deutschen Offiziellen zuteil wurde.
Seit der Begründung der Städtepartnerschaft folgten 4.500 Dortmunder Jugendliche, Gewerkschafter und Bürger den Einladungen der heute mehr als 200.000 Ein- wohner zählenden israelischen Stadt. Ein wichtiger Beweis von Aussöhnung und Interesse am Leben der Nachgeborenen, meint Samtlebe. »Unter den befreundeten Städten steht Netanja nach wie vor an erster Stelle.« Dennoch sei der Kontakt in letzter Zeit etwas eingeschlafen. Wohl nicht wegen der Situation in Israel, gerade in Krisenzeiten sei immer eine Delegation aus Deutschland bei den Freunden in Netanja gewesen, sondern eher wegen der leeren Kassen, in Dortmund wie in Netanja. Dabei gäbe es viele Gemeinsamkeiten, die ein verstärktes Interesse wecken könnten: Beide Städte suchen gegenwärtig ihren Weg aus der Krise auf dem Neuen Markt, oder befinden sich im strukturellen Wandel, weg von der Schwerindustrie, hin zur Dienstleistung. Bei diesen Problemen können die Kontakte sehr helfen. »Diese Partnerschaft kann eine riesige Zukunft haben und Großes erreichen.«