von Miryam Gümbel
»Wir dürfen uns nicht an die Rechten gewöhnen. Wir müssen dagegen angehen mit couragierter Bürgerbeteiligung, aber auch mit den Instrumenten des Grundgesetzes«. Mit diesen Worten leitete der bayerische Innenminister Joachim Herrmann sein Eingangsstatement zum Thema NPD-Verbot im Jüdischen Zentrum am Münchner Jakobsplatz ein. Eingeladen zu der hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion im Hubert-Burda-Saal hatten die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern sowie AmEchad. Dieser überparteiliche und überkonfessionelle Verein engagiert sich für die gegenseitige Wertschätzung aller Religionen und setzt sich ein, wo immer es um diskriminierende Akte gegen Juden oder andere Minderheiten geht, insbesondere gegen Antisemitismus und Antiisraelismus. Neben Herrmann am Podium diskutierten die Präsidentin der IKG sowie des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, Münchens Oberbürgermeister Christian Ude, die Bundestagsabgeordneten Jerzy Montag (Bündnis90/Grüne) und Rainer Stinner (FDP) sowie der Landesvorsitzende vom Deutschen Gewerkschaftsbund Bayern, Fritz Schösser. Die Runde unter dem Titel »NPD verbieten oder nicht? Wie wehrhaft ist unsere Demokratie?« moderierten der Fernsehjournalist Michael Kraa und Rechtsanwalt und IKG-Vorstandsmitglied Peter Guttmann, beide von Am- Echad. In einer TED-Umfrage zu Beginn der Veranstaltung hatten sich rund 90 Prozent der knapp 400 Anwesenden spontan für die Einleitung eines neuerlichen Verfahrens zum Verbot der NPD »zum jetzigen Zeitpunkt« ausgesprochen. Nach über zwei Stunden lebhafter Diskussion auf dem Podium bestand dieser Wunsch zwar weiterhin. Dass dafür aber ein erfolgversprechender Zeitpunkt vorhanden sein müsse, hatte die Zahl der lieber Abwartenden von zehn auf etwa 30 Prozent erhöht. Charlotte Knobloch hatte bereits in der ersten Runde erklärt, dass sie die derzeitige Lage als absolut bedrohlich empfinde. Die NPD sei nicht nur verfassungsfeindlich. Sie ist »rassistisch, antisemitisch, fremdenfeindlich und sie lehnt unser Grundgesetz ab«. Deshalb sollte die NPD vor einigen Jahren schon einmal verboten werden. Dieser erste Anlauf scheiterte – nicht durch die sogenannte V-Mann-Problematik, sondern an der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit der Richter im Bundesverfassungsgericht. Das hatte Rechtsanwalt Peter Guttmanm eingangs erläutert. Diese Tatsache hatte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann schon in seinem Eingangsstatement zu der Aussage veranlasst: »Die NPD gehört für mich verboten. Damit würden wir Rechtsextremisten eine wichtige Plattform für die Verbreitung ihres braunen Gedankenguts nehmen. Die vom Bundesverfassungsgericht für ein NPD-Verbot aufgestellten Anforderungen sind in meinen Augen deutlich überzogen. Wir brauchen deshalb eine grundlegende rechtspolitische Diskussion, die in der Gesellschaft und damit ganz allgemein das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines NPD-Verbots schärft.« Auf V-Männer könne der Staat zur Gefahrenabwehr nicht verzichten. Allerdings müsse man deutlich unterscheiden, ob es sich um mitteilungswillige und dafür bezahlte NPD-Funktionäre handle oder um eingeschleuste Verfassungsschützer. Letztere seien seines Wissens nicht in leitenden Parteifunktionen der NPD. Das Verbot von NPD-Aufmärschen durch die Kreisverwaltungsbehörden werde immer häufiger durch Gerichtsurteile aufgehoben. Oberbürgermeister Christian Ude bezeichnete deshalb die Möglichkeiten der Stadt, den »braunen Spuk zu untersagen« als »erschütternd gering«. Man dürfe nicht mehr die Veranstaltungen an sich, sondern nur mehr bestimmte Orte und »Accessoires« wie Fahnen oder nationalsozialistische Embleme verbieten.
Fritz Schösser warf die Frage auf, was ein Verbot der NPD bringe. In einem historischen Exkurs zeigte er auf, dass die NSDAP bereits 1923 verboten worden war. Dennoch habe dies das »Dritte Reich« nicht verhindert. »Die damalige Demokratie war trotz eines Verbotes nicht wehrhaft genug«, sich gegen das Gedankengut der Rechten durchzusetzen. Seine Folgerung: »Wir dürfen die Umtriebe der NPD nicht aushalten. Ein Verbot ist keine Lösung für die Probleme.« Ein Verbot könne allerdings ein Signal sein. Auch Jerzey Montag warnte, dass die Menschen, die sich in der NPD engagierten, und deren Gedankengut auch bei einem Parteiverbot erhalten blieben. Er appellierte an das Engagement der Zivilgesellschaft. Rainer Stinner verwies im Zusammenhang mit der europäischen Rechtsprechung auf die Gefahr, das durch diese selbst ein mögliches Verbot der NPD durch das Bundesverfassungsgericht wieder gekippt werden könnte. Dies sollte man sich ersparen.
Dennoch: Alle Teilnehmer auf dem Podium waren sich einig, dass ein Verbot der NPD wünschenswert sei. Allerdings sollte ein neuerliches Verfahren nur beziehungsweise erst dann eingeleitet werden, wenn es Erfolg verspreche. Herrmann unterstrich in diesem Zusammenhang, dass die NPD nicht das gesamte rechtsextreme Spektrum abdecke. Neben einem wünschenswerten Verbot dieser Partei stehe die notwendige Aufklärungsarbeit insbesondere der Jugend. Diese müsse über eine reine Faktenvermittlung hinausgehen und die jungen Menschen zu couragiertem Verhalten ermutigen. Ob das alleine ausreiche, bezweifelte Charlotte Knobloch mit Blick auf die Bundesländer im Osten Deutschlands. Die Menschen dort, gerade in kleineren Orten, seien verängstigt und eingeschüchtert. Sie brächten nicht den Mut zu gemeinsamem Widerstand auf, wie es zum Beispiel in Wunsiedel mit dem entschlossenen Auftreten gegen die Rechtsextremen gelungen sei. Für sie sei deshalb ein Verbot der NPD ein wichtiges Zeichen.