Sechstagekrieg

Sieg der Neuen

Sieg der Neuen

Der psychologische Effekt des Sechstagekrieges

Der Sechstagekrieg bescherte Israel einen wichtigen Sieg auf dem Schlachtfeld. Der Waffengang hatte für die israelische Gesellschaft aber auch eine innere Dimension. Ohne diese, so der israelische Psychologe und Buchautor Yair Caspi, lässt sich die Entwicklung des jüdischen Staates in den vergangenen vier Jahrzehnten nicht verstehen.
In den Augen der Israelis, so Caspi, war der Krieg nämlich nicht nur ein Sieg über die äußere Bedrohung, sondern auch der ultimative Triumph des von Israel hervorgebrachten »neuen Juden«. Im Juni 1967 hatte dieser, so die damals vorherrschende Empfindung, seine historische Bewährungsprobe bestanden. »Die in Israel lebenden Juden hatten schon immer geglaubt, die Elite des jüdischen Volkes zu sein«, sagt Caspi. »Durch den Sieg hatten wir Anschluss an König David und König Salomo gefunden. Die zweitausend Jahre der Diaspora waren getilgt.« Das historische Hochgefühl ließ viele Bürger und Politiker des jüdischen Staates die Grenzen ihrer wahren Macht verkennen.
»Die zionistische Bewegung«, so Caspi, »hatte von Anfang an unter einem Widerspruch gelitten. Auf der einen Seite fußte sie auf einer messianischen Idee. Auf der anderen Seite wollte sie sich nicht dem Joch des Himmels unterwerfen. Deshalb schuf sie eine Reihe von Ersatzobjekten, denen ihre Verehrung galt: sich selbst, das Kollektiv, das Land Israel und das ›Israelitum‹.« Der Sechstagekrieg, so Caspi, hat den zionistischen Ersatzglauben nicht nur verstärkt, sondern auch zu einer »Selbstvergötterung« der Israelis geführt und
den Antagonismus zwischen Gläubigkeit und Weltlichkeit scheinbar aufgehoben.
Unter dem Anprall der Euphorie hat sich auch die Rolle der nationalreligiösen Juden gewandelt: Aus einer Randgruppe wurden sie zunehmend zu einer neuen, kämpferischen Elite. Sie gründeten Siedlungen in den 1967 eingenommenen Gebieten und rückten auch in der Armee immer mehr in Eliteeinheiten auf.
Heute macht der Psychologe einen umgekehrten Ausschlag des Pendels aus: »Es ist zu einer Norm geworden, an nichts mehr zu glauben. Selbst der Sechstagekrieg wird mit Besessenheit entmystifiziert, so als hätte es damals keine wirklichen Helden gegeben. Der politischen Führung wird heute überhaupt kein Vertrauen mehr geschenkt. Die Entwick-
lung hat durchaus nihilistische Züge.«
Damit hat der Sechstagekrieg seine ursprüngliche Funktion als identitätsstiftendes Ereignis eingebüßt. Dennoch glaubt Caspi, dass Israels jüdische Bevölkerung durchaus ein neues inneres Gleichgewicht finden kann. Allerdings müssen die verschiedenen Gruppen dafür etwas tun. Die Säkularen kämen nicht umhin, sich zur jüdischen Tradition zu bekennen. Die Ultraorthodoxen wiederum sollten ihre Bürgerpflichten, einschließlich des Wehrdienstes und der vollen Teilnahme am Ar-
beitsleben, erfüllen. Schließlich müsse erkannt werden, dass der Kampf der zionistischen Pioniere um eine bessere Gesellschaft und religiöse Normen keineswegs im Widerspruch zueinander stünden. Ganz im Gegenteil: Der Kampf um eine bessere Gesellschaft sei ein Gebot jüdischer Moral. All das mag weniger faszinierend als der glorreiche Sieg von 1967 erscheinen. Dafür aber winkt Israels Juden ein begehrenswerter Preis: eine gemeinsame, dauerhafte Identität. Wladimir Struminski

USA

Meta beendet Fakten-Checks und kündigt Zusammenarbeit mit Trump an

Die Änderungen gelten zunächst nur in den USA

 07.01.2025

University

Awards of the World Union of Jewish Students presented in Berlin

The worldwide representation of Jewish students celebrated its 100th anniversary and honored particularly deserving individuals and unions

 07.01.2025

Frankreich

Front-National-Gründer Jean-Marie Le Pen ist tot

Die Gaskammern der Nazis verharmloste er mehrfach als »Detail der Geschichte«

 07.01.2025

Berlin/Paris

Scholz erinnert an »Charlie Hebdo«-Anschlag

Die schreckliche Bilanz der Terroranschläge vom 7. Januar 2015. 17 Tote in der Redaktion der Zeitschrift und in einem koscheren Supermarkt

 07.01.2025

Scholz äußert sich zu Merkels Memoiren

 06.01.2025

Österreich

Bundespräsident trifft FPÖ-Chef Kickl

Die FPÖ scheint drei Monate nach der Parlamentswahl kurz vor dem Einzug ins Kanzleramt zu stehen

 06.01.2025

Österreich

ÖVP offen für Koalitionsgespräche mit FPÖ

Monatelang hatte die konservative ÖVP versucht, eine Regierung ohne die rechte FPÖ zu bilden. Nun schwenkt die ÖVP um

 05.01.2025

Berlin

Äußerungen des US-Tech-Milliardärs Elon Musk: »Fundamentaler Angriff auf die deutsche Demokratie«

Wolfgang Thierse (SPD) kritisiert den Tech-Milliardär und Trump-Berater Elon Musk scharf

 03.01.2025

TV-Tipp

Fränkischer Stoffhändler mit beispielloser Erfolgsgeschichte

Mini-Serie über Jeans-Erfinder Levi Strauss als TV-Premiere

von Jan Lehr  02.01.2025