Braucht man in Zeiten von Internet und WLAN noch ein Lexikon? Zumal dieses dreibändige Werk Lexikon der Jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum fast sieben Kilogramm auf die Waage bringt. Die Antwort lautet: ja. Denn was Klaus-Dieter Alicke auf den 4.600 Spalten zusammengetragen hat, ist ergiebig und lädt zum Weiterforschen ein.
Die DIN-A4-großen Seiten sind gut gegliedert. Hier überwiegt eindeutig der Text. Abbildungen gibt es nur wenige. Auf Zierrat oder farbigen Hochglanzdruck hat man zugunsten von Erklärungen, Originalzitaten, Tabellen, Dokumentationen, der Wiedergabe von Inschriften verzichtet. Die Texte lesen sich gut, sind keineswegs ermüdend und geizen mit Abkürzungen.
Vom nordrhein-westfälischen Aachen bis Zwittau (Svitavy) in Mähren erzählt es die Geschichte von rund 3.000 jüdischen Gemeinden in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Darüber hinaus sind die Gemeinden in den ehemaligen deutschen Sprachgebieten in Böhmen und Mähren (Tschechien und Slowakei), Ober- und Unterschlesien (Polen, Russland) im Baltikum (Litauen) sowie in Frankreich und Luxemburg berücksichtigt.
Ihre Geschichte ist die von Bauern und Handwerkern, von Schutzjuden und fürstlichen Edikten und immer wieder von Verfolgungen. Gleichstellungsurkunden und Pestpogrome beschreiben das Auf und Ab von Judenhass und Anerkennung.
In Teschen an der polnisch-tschechischen Grenze lebten 1938 rund 2.800 Juden. Nur zwei Jahre später verzeichnet die Statistik lapidar »wenige« Juden. Grund der großen jüdischen Gemeinschaft war die politische Gleichberechtigung, die ab 1850 den Teschener Juden gewährt wurde. Doch nach dem Ersten Weltkrieg entstanden neue Nationalstaaten und der Ort wurde in ein polnisches Cieszyn und tschechisches Ceský Tešín aufgeteilt. Der Antisemitismus auf polnischer Seite entlud sich bereits 1937. Das Aus für das tschechische Teschen kam zwei Jahre später.
Ein anderes Beispiel: Hildburghausen in Thüringen. Die jüdische Gemeinschaft war hier nie besonders zahlreich. 1819 war sie mit 123 Juden am stärksten. Ein bekannter jüdischer Sohn der einstigen Residenzstadt im Fürstentum Sachsen-Meinigen war der Pädagoge Salomon Steinhard. Er setzte sich für die jüdische Reformbewegung ein und war aktiver Streiter bei der Durchsetzung der Emanzipation der Juden im Fürstentum. Heide Sobotka
klaus-dieter alicke
Jüdische Gemeinden im deutschen Sprachraum. Gütersloher Verlagshaus 2008, 2361 Seiten. 148 €