Hassan Saida, 43, ein Beduine aus dem Norden
Israels, bietet ein uraltes, auf Bleiplatten
geschriebenes Buch mit kabbalistischen
Symbolen und althebräischen Buchstaben
zum Verkauf an. Sein 1990 im Alter von
106 Jahren verstorbener Großvater habe
das »Buch« in einer Höhle im Norden Jordaniens
entdeckt, während er sich dort mit
seiner Familie 1948 vor den Briten versteckte.
Die Familie lebt heute in einem Dorf in
Galiläa. Als Saida 13 Jahre alt war, habe sein
Großvater ihn nach Hamat Gader nahe der
Grenze zu Jordanien geführt und ihm aus
der Ferne den Ort der mit großen schwarzen
Steinen versperrten Höhle gezeigt.
2005 reiste Saida nach Jordanien, suchte die
Höhle und entdeckte in ihr alte Gräber und
die Bleiplatten, exakt wie es ihm sein Großvater
beschrieben hatte.
Hassan Saida will seinen Schatz nun vergolden.
Er wandte sich an den Anwalt Sasson
Bar Oz aus Haifa. Gemeinsam stellten
sie den Fund Wissenschaftlern aus aller
Welt, Experten für alte Metalle und der israelischen
Antikenbehörde vor. »Ich bin von
der Echtheit der Funde fest überzeugt und
verfüge über zahlreiche Gutachten aus dem
Ausland, die das bestätigen«, erzählt Bar
Oz. Ein Labor in Oxford habe festgestellt,
dass die Bleiplatten aus dem ersten oder
zweiten Jahrhundert u. Z. stammten. An
der Pariser Sorbonne habe ein Forscher bestimmt,
dass auf den Platten ein siebenarmiger
Leuchter und hebräische Buchstaben
abgebildet seien. Es könnten Amulette sein
oder kabbalistische Texte, entstanden in
der Zeit des Rabbi Simon Bar Jochai. Der
bekannte britische Forscher Robert Feder
ist von der Echtheit der Dokumente fest
überzeugt, räumt aber ein, ein 2.000 Jahre
altes Buch auf Bleiplatten noch nie zuvor
gesehen zu haben.
Rabbi Schimon Bar Jochai lebte und
wirkte während der Bar-Kochba-Aufstände
gegen die Römer Anfang des zweiten Jahrhunderts.
Anhänger der Kabbala schreiben
ihm das grundlegende kabbalistische Werk
Zohar zu. Doch dieses Kompendium, das
einst so umfangreich gewesen sein soll,
dass 40 Kamele benötigt wurden, um es zu
transportieren, wurde nach Ansicht von
Forschern in Wirklichkeit erst im 13. Jahrhundert
verfasst.
Die israelische Antikenbehörde hält die
Erzählungen Saidas und das bleierne Buch
für einen üblen Betrug. Saida habe seinen
Fund von Jordanien nach Israel geschmuggelt
und wurde dabei auch gefasst. »Die
Blei-Bücher sind ein Mischmasch aus Perioden
und Stilen ohne jede Verbindung und
Logik. Diese Motive befinden sich auf vielen
Fälschungen in Jordanien und im Nahen
Osten«, heißt es in einer offiziellen Erklärung
der Behörde. Ihre Experten begutachteten
einige Bleiplatten und identifizierten
sie »eindeutig als Fälschungen«.
Die Antikenbehörde sagte zu den Echtheitszertifikaten
von Universitäten im Ausland,
dass Bleiplatten alten Sarkophagen
entnommen und heute von den Fälschern
nachträglich mit Symbolen und Buchstaben
versehen worden sein könnten.
In den vergangenen Jahren wurden
mehrere Antiquitäten-Fälschungen zu
Weltsensationen hochgespielt, darunter ein
Ossuarium (Knochenkasten) mit eingeritztem
Namen des »Bruders von Jesus«, einer
monumentalen Inschrift des biblischen Königs
Jehoasch und die Entdeckung eines
Grabes, in dem die gesamte Familie Jesu,
seine Frau und sogar sein Sohn begraben
gewesen seien. Ulrich Sahm
ARCHÄOLOGIE