Seit 50 Jahren
Verwaiste Friedhöfe in
Bundes- und Länderpflege
Es gibt nur wenige Abkommen zwischen Bund und Ländern, die noch nie zur Diskussion standen. Eines davon ist die am 21. Juni 1957 geschlossene Vereinbarung über die Pflege der verwaisten jüdischen Friedhöfe. Seit 50 Jahren teilen sich Bund und Länder je zur Hälfte die Kosten für den Erhalt der Friedhöfe. Aus Anlass des 50. Jahrestages der Vereinbarung kamen in der vergangenen Woche im Berliner Centrum Judaicum Historiker, Judaisten, Vertreter der Landespolitik, des Bundesinnenministeriums und des Zentralrats der Ju- den zu einem Symposium zusammen.
Wie jeder Vertrag hat auch der über die Friedhofspflege eine Vorgeschichte. Im August 1956 hatte es einen Kabinettsbeschluss gegeben, laut dem die Regierung Adenauer für den Schutz der jüdischen Friedhöfe sorgen wollte. Denn wiederholt war es zu Schändungen gekommen. Bereits 1950 hatte das bayerische Innenministerium festgestellt, dass die Übergriffe geeignet seien, das »Ansehen Deutschlands in der Welt zu schädigen«. Doch die Rechtslage war schwierig: Die Friedhofspflege war Ländersache, der Bund konnte die Kommunen nicht dazu zwingen, erklärte Hermann Simon, Direktor des Centrum Judaicum.
Viele der durch die Nazis zerstörten Friedhöfe waren seit der Befreiung 1945 endgültig dem Erdboden gleichgemacht worden, Kommunen errichteten Sportplätze oder Schwimmbäder darauf, in einem Fall, sagt Peter Fischer vom Zentralrat, wurden die Gräber weggebaggert, um einer Tankstelle Platz zu machen. Meist sei dies ohne nennenswerte Proteste geschehen. Es habe aber auch gute Beispiele gegeben, so Fischer, wo einzelne Bürger oder Behörden den Erhalt von Friedhöfen durchsetzten.
Anders als in der Bundesrepublik war es in der DDR Sache der jüdischen Gemeinden, die Friedhöfe instand zu halten. Doch die Gemeinden konnten dies kaum leisten, sie hatten wenige Mitglieder, und viele waren betagt. Hermann Simon erinnert sich, dass er Kritikern, die den schlechten Zustand der Friedhöfe bemängelten, entgegnet habe: »Die Zahl der Angestellten auf dem Friedhof Weißensee war im Jahr 1936 größer als die der Gemeindemitglieder im Jahr 1988.«
Als erstes neues Bundesland trat 1993 Thüringen dem Friedhofs-Abkommen bei. Die jüdische Gemeinde im Freistaat zählte ein Jahr zuvor gerade noch 25 Mitglieder. Nach DDR-Gepflogenheit wären diese Mitglieder für den Erhalt von 33 jüdischen Friedhöfen im Bundesland zuständig gewesen. »Nahezu alle Friedhöfe waren verwüstet«, sagt Bernd Drößler vom Thüringer Kultusministerium, das für die Pflege der verwaisten jüdischen Friedhöfe zuständig ist.
Für die Pflege gibt Thüringen im kommenden Haushaltsjahr 86.300 Euro aus. Die Kommunen vergeben die Aufträge für die Instandhaltungsarbeiten und weisen dem Kultusministerium die erbrachten Leistungen nach. Dann bekommen sie die Kosten erstattet. Elke Wittich