von Sabine Brandes
Hinter dem Schreibtisch aus hellem Holz steht ein schwarzer Sessel. An den Rändern der Armlehnen ist das Leder schon ein wenig abgewetzt, fast grau. Hier hat er gesessen. Die letzten 13 Jahre lang fast jeden Tag. Auf dem Fensterbrett steht ein Bild von ihm und einer Schulklasse, ein von Kindern gebasteltes Schiff, darunter Schnappschüsse von seiner Familie. In den drei Vitrinen sind Andenken von Mitarbeitern, gegenüber hängen Drucke der Stadt. Keine Fotos mit Präsidenten, Königen oder sonstigen Staatsoberhäuptern. Das Büro in der Jerusalem-Stiftung erinnert eher an das eines ganz normalen Familienvaters. Doch es gehörte einem der wichtigsten Männer in der Geschichte Jerusalems. Hier saß Teddy Kollek.
Draußen fegt ein grimmiger Wind die letzen Blätter von den Bäumen, und drinnen ist es kaum gemütlicher. Die Heizung funktioniert nicht richtig. In manchen Stockwerken läuft sie, doch hier unten bläst sie nur kalte Luft. Es passt zur Stimmung: »Es ist wirklich schwer gewesen in den letzten Tagen«, sagt Noemi Yeshua, die 16 Jahre lang als Kolleks Sekretärin für die englische Korrespondenz arbeitete. »Teddy war immer so voller Leben.« Es sei schwer gewesen, ihn in den vergangenen sechs Monaten schwächer werden zu sehen, erzählt sie und hält einen Moment inne. »Und noch schwerer ist es zu begreifen, dass er wirklich nicht mehr da ist.« Teddy Kollek ist am 2. Januar im Alter von 96 Jahren gestorben.
Sogar in seinen Neunzigern sei er voller Tatendrang und Elan gewesen, sagt Yeshua. »Und er hat von allen um ihn herum genauso viel verlangt.« Die Sekretärin schmunzelt. »Er war einfach ein außergewöhnlicher Mann. In jedem Sinn.« Auf Kolleks Schreibtisch ist kein Staubkörnchen zu sehen. Es ist alles genau so, wie er es vor einigen Monaten zum letzten Mal benutzt hat. Die dicken Adressverzeichnisse mit fast unzähligen Kontaktkarten stehen an der Seite des Telefons, das Schreibpapier mit dem Briefkopf »Teddy Kollek« in lateinischen, hebräischen und arabischen Buchstaben in Blau liegt daneben. So, als wolle gleich jemand darauf einen Brief verfassen.
Korrespondenz war das Wichtigste für den Mann, den manche als »Legende von Jerusalem«, andere als einen »Macher mit unvergleichlichem Antrieb« und alle gemeinsam als einen »durch und durch guten Menschen« bezeichnen. Er habe keinen Funken Klassenbewusstsein gehabt, weiß Yeshua. »Es war egal, ob ein Multimillionär, ein Gärtner der Stadtverwaltung oder eine Schulklasse in sein Büro kam, er gab allen dieselbe Aufmerksamkeit.« Dafür liebten ihn die Menschen. In seiner Stadt, in seiner Stiftung.
Ob es die Pressesprecherin Liat Rosner ist, die liebevoll Fotos von ihm auf dem Computer sammelt oder der Präsidentenberater und ehemalige Botschafter Israels, Yissakhar Ben-Yaacov, der ihn seit 1954 kannte: Wer auch immer über ihn spricht, tut das mit tiefstem Respekt und voller Zuneigung. Ben-Yaacov denkt gern an die gemeinsame Zeit zurück: »Die Zusammenarbeit mit Teddy Kollek war die bewegendste, interessanteste und professionellste in meiner gesamten Karriere.« Kollek habe ihm beigebracht, die Freunde Israels nicht nur reden zu lassen, sondern sie zu überzeugen, etwas für den Staat zu tun. »Und zwar mit unbändiger Energie.«
Die Jerusalem-Stiftung ist Teddy Kollek. Vor 40 Jahren hat er sie gegründet. In jahrelanger Zusammenarbeit mit der Präsidentin Ruth Cheshin hat er den Aufbau und die Aktivitäten vorangetrieben. Ziele sind die kontinuierliche Angleichung der sozialen Dienstleistungen in allen Teilen der Stadt und die Unterstützung der kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Kontakte zwischen den verschiedenen Bevölkerungsteilen. Damit, davon war Kollek überzeugt, würden die Voraussetzungen für eine friedliche Koexistenz in Jerusalem geschaffen.
An manchen Tagen saß er von acht Uhr morgens bis nach Mitternacht hinter dem Schreibtisch. »Er freute sich richtig, nach dem Ausscheiden aus dem Bürgermeisteramt mehr Zeit für die Projekte zu haben.«
Kollek starb kurz vor dem 40. Geburtstag der Stiftung. »Er hätte gewollt, dass wir den Geburtstag dennoch groß feiern, um Geld für die Stiftung zu sammeln«, ist sich Yeshua sicher. Er habe jeden Jahrestag oder Geburtstag genutzt, um möglichst viel zusammen zu bekommen.«
Wie es jetzt ohne ihn weitergeht? Präsidentin Cheshin sagt: »Ganz in seinem Sinne«. Die Stiftung sei eine wundervolle Maschine, die auch ohne Teddy Kollek wei-
terläuft. Sie sei nicht einzig auf eine Person gebaut, sondern funktioniert durch die Arbeit vieler Menschen. Und die würden weiterhin alles tun, damit in Jerusalem gute Nachbarschaft und Koexistenz gepflegt werden. »Teddy hat nie viel über Dinge gesprochen«, so Cheshin, »er hat sie einfach gemacht. Und genau so werden wir von der Stiftung es auch weiterhin tun.«