von Vanessa Bulkacz
Die Entscheidung einer orthodoxen Schule in London, Schüler aufzunehmen, die einen jüdischen Vater, aber keine jüdische Mutter haben, sorgt in Teilen der Synagogengemeinde für Empörung. Einige Mitglieder reagierten scharf auf den Schritt der King Solomon High School. So zeigt sich der Gemeinderabbiner Alex Chapper überzeugt, daß eine solche Politik »letztendlich die Anerkennung der liberalen Definition, wer Jude ist« bedeutet. Darüberhinaus hat die Maßnahme der Schule die Debatte über die Zukunft öffentlich geförderter Schulen angesichts der demographischen Veränderungen der jüdischen Bevölkerung Londons und seiner Umgebung neu entfacht.
Rabbiner James Kennard, Schulleiter von King Solomon, verteidigt die Entscheidung. Nach Inkrafttreten eines Gesetzes im Jahr 2003, das staatlich geförderten Religionsschulen in Großbritannien verbietet, Plätze für Angehörige des eigenen Glaubens freizuhalten, mußte die Schule Lösungen suchen, um die Plätze zu besetzen. Anderenfalls wäre sie gezwungen gewesen, Schüler nichtjüdischer Herkunft zuzulassen. Laut dem Gesetz muß die Klassenstärke an allen Schulen 30 Kinder betragen. »Es war nicht unsere Entscheidung. Das Gesetz schreibt uns vor, was wir tun müssen, um die Klassen zu füllen«, sagt Spencer Lewis, Leiter des Fachs Jüdische Religion an der Schule.
Der Unterricht in weltlichen Fächern und die Personalkosten werden zu 100 Prozent, die Unterhaltungskosten für Gebäude und Einrichtungen zu 90 Prozent vom Staat getragen. Der Religionsunterricht wird durch Spenden finanziert, im Normalfall durch die Eltern der Schüler. Jede staatlich geförderte Schule mußte ähnliche Kriterien entwickeln, um leere Plätze zu belegen, sagt Kennard. Daher gebe es sicherlich auch an anderen Schulen solche Vorschriften. Doch die demographischen Veränderungen in Nordosten Londons bedeuteten für die King-Solomon-Schule, daß sie die Regeln auch anwenden mußte.
Die Anmeldungen sanken im letzten Jahr um 40 Schüler auf 165. Vertreter der Schule sagen: Um jedes Jahr 150 Plätze zu belegen, sei eine kleine Zahl Schüler mit lediglich jüdischem Vater aufgenommen worden. Wieviele, sagen sie nicht. Es ist nicht klar, wer die endgültige Entscheidung über die Einführung der patrilinearen Handhabung von Bewerbungen getroffen hat, und Chapper, geistiger Leiter der Ilford Federation Synagogue, sagt, die Schulleiter trügen einen Teil der Schuld.
»Eine orthodoxe Schule sollte keine solche Botschaft aussenden. Es ist falsch«, sagt der Rabbiner. »Wenn ein jüdischer Mann eine nichtjüdische Frau heiratet, sollte eine orthodoxe Schule nicht den Eindruck vermitteln, das sei in Ordnung.« Als Alternativen hatte Chapper vorgeschlagen, eine Klasse zu streichen, die Zahl der Aufnahmen zu reduzieren oder aber Schüler nichtjüdischer Herkunft aufzunehmen. Sogar muslimische Schüler zuzulassen, sei besser als die derzeitige Situation, fügte er hinzu. Schulleiter Kennard vertritt die Auffassung, es sei keine Option, den Vorgaben für die Zulassung von Schülern zuwiderzuhandeln. Damit würde die Schule Gefahr laufen, die staatliche Förderung zu verlieren, und müßte zur Privatschule werden.
Rabbiner Chapper behauptet, die meisten Eltern in seiner Gemeinde würden die Entscheidung mißbilligen. »In der Mehrzahl schicken Eltern ihre Kinder an die Schule im Wissen, daß diese dort ausschließlich mit jüdischen Kindern verkehren. Diese Voraussetzung ist nicht länger gegeben«, sagte er vor kurzem in einer Predigt. »Die Eltern der Schüler, die die Schule zurzeit besuchen, wurden hintergangen.« Kennard seinerseits sagt, er habe noch keine Beschwerden seitens der Eltern gehört.
Die Gespräche zwischen Chapper und den Leitern der Schule werden fortgesetzt.
»Die neuen Aufnahmeregeln sollen ab 2007 gelten. Ich treffe mich aber regelmäßig mit den Rektoren und hoffe, für 2008 Alternativen zu finden«, sagt Rabbiner Chapper. »Ich bin gegen die Entscheidung der Schulleiter, nicht gegen die Schule.«