Rückkehrrecht

Sein Gesetz

von Chajm Guski

Einen »Durchbruch« nannte die Knesset-Abgeordnete der Schinui-Partei, Eti Livni, eine Entscheidung des israelischen Obersten Gerichts im März vergangenen Jahres. Die gleiche Entscheidung nannte der Vorsitzende der Schas-Partei, Eli Jischai, einen »Terroranschlag auf die jüdische Identität«. Das Ereignis, das die beiden Abgeordneten der Knesset so bewegte, war die Anerkennung von 17 Reform- und Masorti-
Übertritten im Sinne des Chok HaSchwut, des israelischen Rückkehrgesetzes, durch das Oberste Gericht in Jerusalem. Laut Rückkehrgesetz können einwandernde Jüdinnen und Juden sofort bei ihrer Einreise die israelische Staatsbürgerschaft erlangen. Das Gesetz wurde 1950 geschaffen. 1970 wurde es auch auf nichtjüdische Familienmitglieder erweitert. Im gleichen Zuge wurde im Paragraph 4 des Gesetzes festgeschrieben, daß als »Jude« gilt, wer eine jüdische Mutter hat oder zum Judentum übergetreten ist. Fortan wurden diejenigen Übertritte als gültig betrachtet, die durch das Oberrabbinat des Staates Israel anerkannt wurden.
Seit 1989 wurden darüber hinaus durch den Staat auch die Übertritte (Giurim) anerkannt, die im Ausland vor einem progressiven oder konservativem Beit Din (Rabbinatsgericht) vorgenommen worden waren. Damit könnte das Kapitel »Rückkehrgesetz und Konversion« geschlossen werden, jedoch führte die Anerkennung der nichtorthodoxen Übertritte zu einer grotesken Situation: Denn wer danach für den Staat als Jude galt, war für das Oberrabbinat des Landes kein Jude und konnte folglich in Israel nicht heiraten. Standesamtliche Trauungen gibt es nicht.
Was für einige im vergangenen Jahr ein Durchbruch war, könnte für andere vielleicht ein Dammbruch sein, denn eine neue Entscheidung des Obersten Gerichts in Israel zur Anerkennung von Reform- und Masorti-Übertritten steht unmittelbar bevor.
Angesichts dieser Entwicklung machte der sefardische Oberrabbiner Schlomo Amar zu Beginn der vergangenen Woche mit einem eigenen Gesetzentwurf Schlagzeilen. Dieser sieht vor, daß Konvertiten nicht mehr als Juden im Sinne des Rückkehrrechtes gelten sollen und somit die Formulierung aus dem Jahr 1970 aufgehoben wird. Wie die Tageszeitung Haaretz berichtete, hatten orthodoxe Gruppierungen bereits zuvor Anträge auf Änderung des entsprechenden Paragraphen erfolglos eingebracht. Ihrer Absicht zufolge sollten ausschließlich orthodoxe Gerim (Übergetretene) ein Recht auf Einbürgerung haben.
Oberrabbiner Amar ging noch einen Schritt weiter. Er schlug vor, daß das Rückkehrgesetz geborenen Juden vorbehalten sein soll und daß Konvertiten eine zivilrechtliche Einbürgerung anstreben könnten. Obwohl er seinen Entwurf nicht auf eine bestimmte Strömung des Judentums beschränkte, sagte er im israelischen Rundfunk, daß die Halacha »nur eine gültige Form des Giurs zuläßt« und so sehe der Entwurf auch vor, daß spezielle rabbinische Gerichte für Übertritte in Israel gesetzlich verankert werden sollten. Keine Frage, daß Amar diese ausschließlich mit orthodoxen Rabbinern besetzen will. Das Konzept des Giurs habe in den »letzten zehn Jahren seine religiöse Bedeutung verloren« und sei zu »einem Begriff im Sinne der Einwanderung« geworden, durch den Nichtjuden die israelische Staatsbürgerschaft erlangen wollten, so Amar. Der Anwalt des Oberrabbinats, Schimon Jaakowi, ergänzte, daß »ausländische Arbeitskräfte oder andere Ausländer« nach wie vor eine Einbürgerung über das Zivilrecht beantragen könnten.
Die Aussagen führten zu heftigen Protesten aus dem In- und Ausland. So kommentiert Rabbiner Eric Yoffie, der Vorsitzende der amerikanischen »Union for Reform Judaism« in der Jerusalem Post den Vorschlag Amars mit folgenden Worten: »Dies würde unsere Übertritte delegitimieren und so folglich auch unser Judentum. Dies ist ein weiteres Beispiel für die Probleme, die religiöse Monopole schaffen. Ich hoffe, der Vorschlag wird nicht ernst genommen.« Der israelische Reformrabbiner und Anwalt Gilad Kariv sieht in dem Vorschlag einen Versuch, die orthodoxe Monopolstellung zu schützen: »Es ist traurig sehen zu müssen, daß im Namen der Verteidigung der orthodoxen Monopolstellung das Oberrabbinat dazu bereit ist, grundsätzliche jüdische Werte zu verletzen, in dem sie beispielsweise zwischen geborenen Juden und Konvertiten unterscheiden.«
Rabbiner Netanel Teitelbaum, Vorstandsmitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD), sieht die Vorgänge etwas unaufgeregter. Er hielt zunächst Rücksprache mit Rabbiner Amar und mahnte danach, die Vorschläge nicht falsch zu verstehen: »In erster Linie hat der Vorschlag nichts mit Konversionen zu tun.« Es gehe vielmehr darum, denjenigen nicht sofort die Staatsbürgerschaft zu erteilen, die einen Übertritt nur vollziehen, um in Israel leben zu können. Dazu sei es natürlich auch nötig, Übertritte zu kontrollieren und sie nicht automatisch anzuerkennen. »Man muß kontrollieren, wer das macht und wie er das macht«, sagt Rabbiner Teitelbaum der Jüdischen Allgemeinen. Für die ORD stellt er klar: »Der Giur ist zuallererst Teil des jüdischen Volkes. Man macht einen Übertritt nicht, um Israeli sein zu wollen. Obwohl natürlich das Land Israel eine zentrale Rolle im Judentum spielt.«
Der liberale Rabbiner Henry Brandt, Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschlands, ist anderer Auffassung: »Dies ist ein erneuter Versuch, das jüdische Volk zu spalten.« Wenn das Gesetz in Amars Sinne geändert werden würde, wäre dies ein enormer Rückschritt, so Brandt. »Wir gehen bei unseren Übertritten sehr sorgfältig vor. Wir stehen zu unseren Gerim. Wenn jetzt jemand, der bei uns seinen Giur gemacht hat, in Israel abgelehnt werden würden, wäre das ein großer Schaden.« Brandt bezeichnete Amars Vorst0ß als kontraproduktiv.
Wie es unterdessen mit der Initiative weitergeht, ist unklar. Aus dem Oberrabbinat hieß es am Montag vergangener Woche, daß Innenminister Roni Bar-On den Vorstoß unterstütze. Seine Sprecherin ließ das jedoch dementieren. Die Jewish Agency, die offizielle Einwanderungsorganisation Israels, ist gegen eine Änderung des Rückkehrrechtes. Ihr Sprecher Michael Jankelowitz sagte: »Es handelt sich hier nicht um religiöses sondern um staatliches Recht. Bei dieser Frage geht es auch nicht um die jüdische Religion, sondern um das jüdische Volk. Und dessen Einheit ist uns wichtig.«

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