von Larry Luxner
Während die Konflikte im Nahen Osten die Aussicht auf ein friedliches Zusammenleben von Juden und Arabern in weite Ferne rücken lassen, zeigt ein Spaziergang in den überfüllten Straßen Panamas, dass Juden und Araber in manchen Teilen der Erde sehr wohl miteinander auskommen können.
In den Großhandelshäusern lagern Waren aus Asien, die für den Import nach Lateinamerika bestimmt sind. Orthodoxe Juden und arabische Muslime betreiben Seite an Seite ihre Geschäfte, ohne dass auch nur ein Hauch von Konflikt zu spüren ist. Einige der Handelsunternehmen befinden sich sogar in gemeinsamem Besitz von Juden und Arabern.
»Wir sind alle nach Panama gekommen, um zu arbeiten und es zu etwas zu bringen. Man lässt uns hier arbeiten, keiner mischt sich ein«, sagt Allan Baiten, Mitglied der jüdischen Gemeinde und Wirtschaftsberater für hiesige Geschäftsleute. »Wir waren Brüder, und wir sind es immer noch.«
Im Gegensatz zu anderen Teilen der Welt, wo zwischen Juden und Muslimen Feindschaft herrscht, leben die beiden religiösen Gruppen in Panama beinahe in einer Symbiose. Nach Ausgang des Schabbat genießen panamaische Juden ihr Dinner in arabischen Restaurants mit Halal-Zertifikat. Die Nachtklubs sind voll mit jungen Juden und Arabern, die die Nacht durchfeiern und sich für die Religion der anderen Partygänger herzlich wenig interessieren.
Der gleiche Geist herrscht in der hektischen Geschäftswelt der Freihandelszone an der nördlichen Mündung des von den USA gebauten Kanals. Panama ist immer noch das Drehkreuz für den lateinamerikanischen Handel. Doch neue Freihandelsabkommen und das Internet setzen die Geschäftsinhaber unter Druck: Sie müssen jetzt nicht mehr nur um Kunden kämpfen, sondern auch um Waren, Preise und Logistik. Weil der Stress der Händler sich erhöht hat, ist das Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Geschäftsleuten, ganz gleich welcher Religion sie sind, gewachsen.
Ein wichtiger Faktor für die Festigung dieses Gemeinschaftsgefühls ist die Vermeidung des Themas Nahostkonflikt. Die Juden Panamas bejahen den Zionismus, die arabische Gemeinde steht auf Seiten der Palästinenser. »Man spricht nicht über dieses Thema«, sagt Mordejai Burstein, Verkaufsleiter einer Textilfirma. »Solange man das Thema nicht berührt, gibt es keine Probleme.«
Auch die Geografie spielt bei den guten Beziehungen eine Rolle. Praktisch alle 9.000 panamaischen Juden leben in Panama-Stadt, während sich die rund 10.000 Muslime in Colon an der Karibik und in der westlichen Provinzstadt David nahe der Grenze zu Costa Rica konzentrieren. Die Moscheen in Panama vertreten in der Mehrzahl einen moderaten Islam.
Doch neben allen Deutungsversuchen, mit denen man die Harmonie als das Ergebnis glücklicher Umstände abtun könnte, gebe es den tatsächlichen Wunsch, miteinander auszukommen, meint Ezra Hafeitz, Inhaber eines Textilgeschäfts und Vertreter des Ortsverbands von B’nai B’rit. »Wir haben ein ungeschriebenes Gesetz: Wir respektieren die Religion des anderen und suchen keinen Streit«, sagt Hafeitz.
Nicht immer waren die Beziehungen frei von Spannungen. Das gilt vor allem für die Zeit nach dem Anschlag auf einen Inlandsflug im Jahr 1994, bei dem zehn Juden getötet wurden. Die einen schreiben die Tat der Hisbollah zu, die anderen einem kolumbianischen Drogenkartell. Die Situation damals entspannte sich, als die meisten Muslime sich dem Rest des Landes anschlossen und den Mordanschlag verdammten.
Mit drei jüdischen Gemeinden – zwei orthodoxen und einer Reformgemeinde – sowie Tausenden Menschen, die koscher essen und den Schabbat halten, ist Panama das Land in Lateinamerika mit den meisten praktizierenden Juden. Neue Synagogen werden gebaut, um dem wachsenden Bedarf gerecht zu werden.
Die Achtung zwischen panamaischen Juden und Muslimen ist gegenseitig. Der Oberrabbiner des Landes und lokale Imame telefonieren nach eigenen Angaben regelmäßig miteinander, und einheimische Juden sagen, dass sie sich noch nie als Opfer von Muslimen gefühlt haben. »In erster Linie wollen sie das erreichte Niveau von Freundschaft und Achtung zwischen den zwei Gemeinden aufrechterhalten«, sagt Baiten. Und er fügt hinzu: »Panama ist ein Modell für Toleranz.«