Schwarze Rassisten
Eine Extremisten-Gruppe hält Frankreich
in Atem
von Harald Neuber
Der Angriff kam unvermittelt. Ende Mai stürmten plötzlich mit Baseballschlägern bewaffnete Mitglieder der schwarzen Sekte Tribu Ka das jüdische Viertel »Le Marais«. Die Männer skandierten antisemitische Parolen und bedrohten verschreckte Passanten: »Wo sind die Chefs der Jüdischen Verteidigungsliga«, riefen sie, als sie das Viertel stürmten. Der Angriff hatte ein Nachspiel. Innenminister Nicolas Sarkozy ließ die Gruppe verbieten. In den Medien aber hält die Debatte über die Sekte an.
Ende 2004 von Stellio Gilles Robert Capochichi, einem Kind afrikanischer Einwanderer, gegründet, machte die Gruppe schon vor dem Angriff auf das jüdische Viertel von sich reden. Tribu Ka predigt die Überlegenheit der Schwarzen und verlangt eine strikte Rassentrennung. »Tribu« bedeutet Stamm; das »K« steht für »kémite« – so bezeichnen Séba und seine Anhänger Schwarze; das »a« für »atonien« bezieht sich auf den altägyptischen Sonnengott Aton. Tribu Ka macht die Juden für die Versklavung der Schwarzen seit dem Altertum verantwortlich.
Diese bizarre Mischung aus absurden mythologischen Bezügen, einem umgekehrten Rassismus und krudem Antisemitismus macht die Gruppe, deren Mitgliederzahl von den französischen Behörden gerade einmal auf einige Dutzend geschätzt wird, für die Medien interessant. Nach dem Überfall auf das jüdische Viertel konnte sich Sektenführer Séba vor Interviewanfragen kaum mehr retten. Angesichts der Omnipräsenz einer kleinen Gruppe in der medialen Öffentlichkeit wirkte jede Reaktion der Regierung hilflos: Selbst das Verbot seiner Gruppe im Juli wußte der Tribu-Ka-Gründer zu nutzen. Er erklärte, es nicht zu beachten – und sicherte sich damit erneut die Aufmerksamkeit der Medien. Seitdem spielt er Katz und Maus mit den Behörden. Ende September wurde erneut eine Internetseite Sébas geschlossen, weil darauf ein Affe mit einem Davidstern abgebildet war. Séba hatte sie nach dem Verbot seiner Gruppe als »private Homepage« freigeschaltet.
Das Phänomen der Tribu Ka läßt sich nicht allein mit den Aktionen einer Handvoll Verwirrter erklären. Vorgeblicher Grund für den Überfall auf Le Marais waren Angriffe der »Jüdischen Verteidigungsliga« (Ligue de défense juive, LDJ), dem französischen Ableger der terroristischen Kach-Bewegung, auf Schwarze und maghrebinische Einwanderer. Sie wollte sich offen- sichtlich für den Mord an dem jungen Juden Ilan Halimi im Februar rächen. Halimi war von einer Bande entführt, gefoltert und getötet worden, deren Anführer aus Afrika und deren Mitglieder aus Maghreb-Ländern stammten.
Das Vorgehen der Gruppe Tribu Ka ist Beweis, wie anfällig Jugendliche aus den verwahrlosten Vororten französischer Städte für Aufrufe zu Gewalt sind. Trotz des Verbots der Gruppe und ihrer Internetseite könnten in Zukunft auch Unbeteiligte betroffen sein. Nachdem die LDJ dem Mörder von Halimi mit Selbstjustiz gedroht hatte, erklärte Tribu Ka: »Wenn Ihr unserem Bruder auch nur ein Haar krümmt, werden wir uns gründlich um die Schläfenlocken Eurer Rabbiner kümmern«. Die Mail ging bei mehreren jüdischen Organisationen ein.