Schule

Schonfrist für die Jüngsten

von Chrissi-Caroline Wilkens

An der Fassade des großen dreistöckigen weißen Gebäudes weht nur eine griechische Fahne. Es gibt kein Zeichen oder Schild, das verrät, dass sich hier mitten im Diplomatenviertel Athens eine jüdische Schule mit Kindergarten befindet. Sie ist von einem weiß gestrichenen Eisenzaun umgeben, wer hinein will, muss an einem Wächter vorbei.
Drinnen lernen rund 100 Kinder. Namen wie Esther, Noah, Moisis liest man auf den Namensschildern, die auf die kleinen Stühlchen geklebt sind. Von ihrem dritten Lebensjahr bis zum Ende der Grundschule können hier die Kinder der jüdischen Gemeinde Athens lernen. Danach müssen sie auf eine private oder öffentliche weiterführende Schule wechseln. Viele tun dies schweren Herzens. »Ich denke sehr oft daran und frage mich, was ich tun werde. Ich hoffe, dass ich ein Gymnasium besuchen werde, an das auch andere meiner Mitschüler mitgehen«, sagt der 13-jährige Solon, Schüler der sechsten Klasse. Neben ihm sitzt Ezer. Er schaut traurig drein, wenn er erzählt, weswegen er manchmal von Gleichaltrigen außerhalb der Schule in eine unangenehme Situation gebracht wird. »Es passiert, dass die mich wegen meines Namens fragen«, sagt er. Solon erzählt, dass er in solchen Situationen ungern sagt, auf welcher Schule er lernt. »Manchmal nenne ich dann nur die Anfangsbuchstaben, damit es wie alle anderen Schulen klingt.«
Die private Schule und der Kindergarten der jüdischen Gemeinde Athens wurden 1960 gegründet. Zuvor gab es eine im Stadtteil Thisio. Dort befinden sich heute die alte und neue Synagoge. Giorgos Kanellos ist der Leiter der Schule. Er ist Christ, so wie weitere 16 der 21 Lehrer, die hier unterrichten. »Die Schule modernisiert sich Jahr für Jahr«, sagt Kanellos. Seit Kurzem ist es auch Kindern aus gemischten Ehen erlaubt, die Schule zu besuchen. Zuvor gab es Überlegungen, sie wegen der geringen Schülerzahl zu schließen, denn nicht alle Eltern der rund 3.500 Mitglieder zählenden Athener Gemeinde schicken ihre Kinder auf die jüdische Schule.
»Die Mehrheit der jungen Leute ist nicht religiös, wir sind so nicht aufgewachsen«, sagt Moisis Tzafos, Vorsitzender der Jüdischen Jugend Athens. Die neue Generation sei vollkommen in der griechischen Gesellschaft assimiliert. »Das Einzige, was bei uns auffällt, ist der Name.« Die meisten Jugendlichen erinnerten sich nur dann, dass sie Juden sind, wenn sie Antisemitisches in der griechischen Presse lesen.
Orieta Treveza, Erziehungsbeauftragte im Jüdischen Museum von Athen, ist Mutter von zwei Kindern. Sie erzählt, wie schwierig es für viele ist, wenn die Zeit kommt, an der sie die jüdische Schule verlassen müssen. »Am Anfang ist es ein Schock.« Die Leiterin des Jüdischen Kulturzentrums, Rachel Rafael Sason, beschreibt die jüdische Schule als eine Art »Treibhaus«. Sie findet, die Kinder seien danach vorbereitet, mit den Vorurteilen der griechischen Mehrheitsgesellschaft umzugehen.
Laut einer Umfrage möchten 25 Prozent der befragten Griechen keinen Juden als Nachbarn haben. Bei den Wahlen im September hat es zum ersten Mal seit Jahrzehnten eine rechtsextreme Partei, die LAOS, geschafft, mit 3,8 Prozent ins griechische Parlament einzuziehen. »Wir machen uns Gedanken darüber, sind aber nicht besorgt«, sagt der Präsident des Zentralrates der Israeliten Griechenlands, Moisis Konstantinis.
Es ist kurz vor elf. Die Schulklingel unterbricht die warme Stille in den Schulgängen mit den grün-weiß getünchten Wänden. Zeit für die Zehn-Minuten-Pause. Die Türen der Klassenzimmer öffnen sich und die Schüler strömen auf den Schulhof, darunter ein Bürschlein mit einem Hemd des FC Bayern München. Hinter dem Zaun auf dem Bürgersteig geht sehr diskret ein Polizist auf und ab.

Fernsehen

Mit KI besser ermitteln?

Künstliche Intelligenz tut in Sekundenschnelle, wofür wir Menschen Stunden und Tage brauchen. Auch Ermittlungsarbeit bei der Polizei kann die KI. Aber will man das?

von Christiane Bosch  21.04.2025

Reaktionen

Europäische Rabbiner: Papst Franziskus engagierte sich für Frieden in der Welt

Rabbiner Pinchas Goldschmidt, der Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner, würdigt das verstorbene Oberhaupt der katholischen Kirche

 21.04.2025

Berlin

Weitere Zeugenvernehmungen im Prozess gegen Angreifer auf Lahav Shapira

Der Prozess gegen Mustafa A. am Amtsgericht Tiergarten geht weiter. Noch ist unklar, ob am heutigen Donnerstag das Urteil bereits gefällt wird

 17.04.2025

Indischer Ozean

Malediven will Israelis die Einreise verbieten

Es ist nicht die erste Ankündigung dieser Art: Urlauber aus Israel sollen das Urlaubsparadies nicht mehr besuchen dürfen. Das muslimische Land will damit Solidarität mit den Palästinensern zeigen.

 16.04.2025

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025

Spenden

Mazze als Mizwa

Mitarbeiter vom Zentralratsprojekt »Mitzvah Day« übergaben Gesäuertes an die Berliner Tafel

von Katrin Richter  10.04.2025

Jerusalem

Oberstes Gericht berät über Entlassung des Schin-Bet-Chefs

Die Entlassung von Ronen Bar löste Massenproteste in Israel aus. Ministerpräsident Netanjahu sprach von einem »Mangel an Vertrauen«

 08.04.2025

Würdigung

Steinmeier gratuliert Ex-Botschafter Primor zum 90. Geburtstag

Er wurde vielfach ausgezeichnet und für seine Verdienste geehrt. Zu seinem 90. Geburtstag würdigt Bundespräsident Steinmeier Israels früheren Botschafter Avi Primor - und nennt ihn einen Vorreiter

von Birgit Wilke  07.04.2025

Weimar

Historiker Wagner sieht schwindendes Bewusstsein für NS-Verbrechen

Wagner betonte, wie wichtig es sei, sich im Alltag »gegen Antisemitismus, gegen Rassismus, gegen Muslimfeindlichkeit und gegen jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit« zu engagieren

 07.04.2025