Ufos im jüdischen Viertel, Schneeflocken auf der Muris-tan-Plaza, ein glitzernder Riesenvogel vor Davids Zitadelle und viele andere Skurrilitäten mehr. Eine Woche lang stand die Jerusalemer Altstadt ganz im Zeichen der bizarren Erscheinungen. Wenn die auch mehr Schein als Sein waren.
Während des Festivals, das Bürgermeis-ter Nir Barkat und Tourismusminister Stas Misezhikov am 10. Juni eröffnet hatten, waren die verschiedensten Lichtinstallationen, Kunstwerke und Performances unter freiem Himmel zu sehen. An 23 historischen Gebäuden und weltberühmten Se-
henswürdigkeiten, darunter dem Damas-
kustor, dem Herodianischen Viertel, dem österreichischen Hospiz und der Davidsstadt, erstrahlten Glanzstücke von israelischen sowie internationalen Lichtdesignern und Künstlern. Jerusalem reiht sich mit diesem größten Lichtfestival des Landes zugleich in eine lange Reihe von Städten in der ganzen Welt ein, die regelmäßig derartige Veranstaltungen zelebrieren, darunter Glasgow, Lyon und Lissabon.
Religionen Die Grenzen zu den verschiedenen Vierteln der unterschiedlichen Religionen schienen in diesen sieben Tagen zu zerfließen. Auf einmal spielte es keine Rolle mehr, zu welcher ethnischen Gruppe sich die Bewohner zählen. Statt armenisch, arabisch, jüdisch oder christlich gab es den gelben Lichtpfad, den roten, grünen und weißen. So wurden die Straßenlaternen ent-
sprechend der Kunstwerke in farblich passende Tücher gehüllt. Das kunterbunt ge-
mischte Publikum in muslimischer Kopfbedeckung, orthodoxer Kluft, und luftiger Sommerkleidung, darunter außergewöhnlich viele Kinder angesichts des späten Abends, lustwandelte über das grobe Kopfsteinpflaster und genoss die Lichtspiele.
Schon der Blick von der Jaffastraße auf das gleichnamige Eingangstor herab verhieß Buntes: Die farbenfrohen Würfel des Lichtkünstlers Gil Teichman changierten von leuchtendem Rot über Lila, Grün, Gelb zu Blau und luden Scharen von Besuchern aus dem In- und Ausland zum Verweilen inmitten der wechselnden Farbspiele ein.
Hinter dem Tor hofften arabische Bagel- und Saftverkäufer mit ihren hölzernen Karren auf ein besonders gutes Geschäft. »Begale – tari, fresh, fresh«, tönte es, und die Leute griffen zu. Mit einem Ge-
bäck samt Satar-Gewürz und Granatapfelsaft in der Hand begutachtete Mitch O’Connor die »Nachtmaschine« vor der Zitadelle. »Atemberaubend«, sagte der Ur-
lauber aus Chicago mit breitem Lächeln auf den Lippen. Die Struktur des israelischen Designers Nitzan Refaeli aus Tel Aviv war eindrucksvoll: als Kombination aus Bewegung und Licht glitzerte sie durch die Nacht. O’Connor und seine Frau Jenny hatten nur Superlative für das Fest: »Nach einer Rundreise durchs Land ist dies der krönende Abschluss. Es ist ein unglaubliches Erlebnis und lässt uns ein anderes Jerusalem erleben als das, was wir aus den Nachrichten und Zeitungen kennen. Ganz Israel ist wirklich eine Reise wert, aber diese Stadt ist die schönste, die wir je gesehen haben.«
Installationen Besonders viel Anklang fand die Installation mit Titel »Muristan Mémoires«. Wie eine Fantasie aus einer anderen Welt hieß sie die Besucher inmitten der Muristan Plaza willkommen. Die fünf Meter hohe Schneekugel von Kobi Rosenthal füllte sich im Laufe des Festivals immer mehr mit künstlichen Schneeflo-cken. Nur wenige Fußschritte entfernt schickte der Glockenturm der Erlöserkirche zahllose Lichtstrahlen in die Dunkelheit über der Stadt. Der Kardo im jüdischen Viertel war in einen überdimen-
sionalen Lampenladen verwandelt. Lichtdesigner aus dem ganzen Land boten hier ihre Leuchtobjekte aus Ton, Holz, Glas, Stoff, Metall und Perlen zum Kauf an.
Wer den Rundgang inmitten der Stadtmauer beendet hatte, fand auch draußen vor den Toren noch einige leuchtende Schmuckstücke, darunter den Nachtgarten von Merav Eitan und Gaston Zahr. Dutzende großer und kleiner Blüten schimmerten auf der Wiese vor dem dicken Gemäuer. Solarzellen luden den Garten tagsüber auf, um ihn bei Nacht erstrahlen zu lassen. »Die Blumen symbolisieren die Bedeutung alternativer Energie«, so die Künstler, »das schützt unsere Umwelt und sichert die Zukunft«.
Ein schöner Gedanke, der auch Familie Meimon zusagte, die vor dem farbenfrohen Garten eine Pause einlegte. »In die Zukunft investieren ist immer gut«, betonte Vater Mosche, der mit seiner Frau und den vier Kindern schon den zweiten Tag auf dem Festival unterwegs war. So entspannt habe er Jerusalem selten erlebt, merkte er an. »Und wenn es tatsächlich das Licht ist, das alles so angenehm macht, dann sollten sie es nie mehr abschalten.«