von Jonathan Scheiner
»Unter Freunden« heißt das Motto des diesjährigen Berliner Theatertreffens tt 07. Das ist ironisch gemeint. Das Theatertreffen gilt als wichtigste Leistungsschau der deutschsprachigen Bühnen. Alljährlich werden dort die »zehn bemerkenswertesten Inszenierungen« des Jahres gezeigt. Doch wenn Regisseure, Schauspieler und nicht zuletzt Kritiker in Massen aufeinandertreffen, gibt es nicht nur Leistungsvergleich und sachlichen Meinungsaustausch, sondern vor allem Streit. Das gehört zum Geschäft. Und so ähnelt das Berliner Treffen bisweilen einem Strindbergschen Familiendrama. .
Etwas weniger aufgeregt geht es im Rahmenprogramm zu, mit Veranstaltungen wie dem Talente-Treffen, dem Stückemarkt und dem Internationalen Forum. Vielleicht, weil hier viele ausländische Gäste teilnehmen, die den deutschen Theaterintrigen fernstehen. Zum Beispiel die Regisseurin Yael Wyler aus Tel Aviv. In der Schweiz geboren, begann sie ihre Karriere am Cameri-Theater in Tel Aviv. Beim tt 07 stellt sie sich beim Stückemarkt vor, der junge Theatermacher aus ganz Europa fördert. Yael Wyler präsentiert dort ihr nächs-tes Projekt, einen Brecht-Abend über Liebe, Krieg und Wirtschaft, der vom tt 07 durch ein Stipendium gefördert wird.
Wylers Kollege Omri Nitzan, der künstlerische Leiter des Cameri-Theaters, tauscht sich derweil im Internationalen Forum mit Kollegen aus. Die seit mehr als 40 Jahren existierende Kontaktbörse dient der Vernetzung unter Theaterleuten weltweit. Unter anderem werden Workshops veranstaltet. Einen dieser Workshops leitet Avishai Milstein. Der Künstlerische Leiter des Beit-Lessin-Theaters in Tel Aviv unterrichtet seit diesem Jahr Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin. Für das Festival Internationale Neue Dramatik F.I.N.D. an der Schaubühne am Lehniner Platz im März hat er den Schwerpunkt Israel mitkuratiert. In seinem Workshop »Praxis der Text- und Inszenierungsanalyse« werden klassische und gegenwärtige Theaterstoffe und Inszenierungen auf ihre Konfliktstruktur hin analysiert. Politische Entwicklungen sollen als Grundmuster menschlichen Handelns wahrnehmbar gemacht werden. Für einen Israeli quasi ein Heimspiel. Der jüdische Staat, sagt Milstein, biete ihm jeden Tag Stoffe und Konflikte, die sich zum Teil aus sich selbst heraus entzündeten: »Nicht nur politische, auch soziokulturelle Probleme zwischen den religiösen und weltlichen Juden oder zwischen Neu- und Alt-Einwanderern bestimmen die Tagespolitik.«
Milstein hält auch zum Auftakt des Talente-Treffens am Samstag, den 19. Mai im Haus der Berliner Festspiele ein sogenanntes Impulsreferat. Titel: »Der schöne Konflikt«. Das passt doch gut zum Theatertreffen-Motto »Unter Freunden«.
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