von Iris Hartl
Die Schoa ist für ihn »memoriale Pornografie«, und die Juden nennt er »Sklaventreiber, die ins Bankwesen gewechselt sind«. Der französische Komiker Dieudonné hält mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg und sucht die Provokation geradezu. Nun hat er seinen jüngsten Coup gestartet: Er kandidiert mit einer »antizionistischen Liste« für die Europawahlen.
Anfangs gingen die Sprüche des einst beliebten Komikers, der mit bürgerlichem Namen Dieudonné Mbala Mbala heißt, bei vielen noch als freie Meinungsäußerung durch. Manche sahen in ihm sogar ein Opfer der »jüdischen Lobby« und stilisierten ihn zum heldenhaften Verfechter der politischen Unkorrektheit. Mit der Zeit manifestierte sich sein politisches Engagement für die rechtsextreme Partei Front National. Er behauptete sogar, deren berüchtigter Parteichef Jean-Marie Le Pen sei Patenonkel seines vierten Kindes. Gegenüber Freunden soll er dies aber bestritten haben. Im Dezember 2008 ließ er während eines Auftritts von einem als KZ-Häftling verkleideten Techniker dem Holocaust-Leugner Robert Faurisson einen Preis für seine »Unverfrorenheit« verleihen. Spätestens hier war bei den meisten seiner Fans Schluss mit lustig.
Mit seinen zahlreichen Pöbeleien gegenüber Juden und zweifelhaften politischen Sympathiebekundungen hat sich Dieudonné inzwischen selbst aufs Abstellgleis manövriert. Seine »antizionistische Liste« zu den Europawahlen darf man deshalb als weiteren verzweifelten Versuch werten, Aufmerksamkeit zu erregen. Der Zeitung Le Journal du Dimanche hatte er nach seiner umstrittenen »Preisverleihung« für Faurisson erklärt: »Die Journalisten kommen nicht mehr zu meinen Auftritten. Sie reagieren nur, wenn ich für einen Skandal sorge.«
Diese Rechnung geht offensichtlich auf. So hat der Generalsekretär des Elysée-Palasts, Claude Guéant, prompt zu Dieudonnés angekündigter Wahlteilnahme Stellung genommen. Guéant sagte am 3. Mai, er werde prüfen lassen, ob man die »antizionistische Liste« verbieten könne. Dieudonné zeigte sich angesichts des neuen Rummels um seine Person zufrieden. Er stehe jetzt »im Zentrum der Debatte« um die Europawahl. Doch seine Liste dürfte keine großen Erfolgsaussichten haben, da sich der 43-Jährige bei den Franzosen längst um jede politische Glaubwürdigkeit gebracht hat. Seinem Beruf als Komiker wird der Sohn einer Französin und eines Kameruners dagegen mehr als je zuvor gerecht. Das hilft ihm jedoch auch nicht, da er inzwischen fast überall in Frankreich Auftrittsverbot hat. Als Bühne bleibt ihm nur noch sein eigenes Theater, »La Main d’or« in Paris. Angesichts seiner politischen Entwicklung mag die Tatsache erstaunen, dass Dieudonné erst durch seine gemeinsamen Auftritte mit dem jüdischen Komikerkollegen Elie Semoun in Frankreich bekannt geworden ist. Das Duo erreichte Mitte der 90er-Jahre einen wahren Kultstatus. Die Zusammenarbeit fand allerdings 1999 ein jähes Ende. Über den genauen Grund für die Trennung schweigen sich beide bis heute aus. Die antijüdische Neigung Dieudonnés dürfte dabei aber eine wichtige Rolle gespielt haben.
Die nächste Gelegenheit, nach den Europawahlen wieder in die Schlagzeilen zu kommen, hat Dieudonné am 22. September, wenn er sich vor dem Pariser Strafgericht wegen »rassistischer Beleidigung« verantworten muss.