von Claudia Kook
Die neuen Freunde tragen bekannte Namen: Angela Merkel, Horst Köhler, Jürgen Rüttgers, Klaus Hänsch sind Teil des Freundeskreises, wie die jüdische Gemeinde Mönchengladbach ihre frisch gewonnenen Unterstützer für ihr Synagogenprojekt nennt. Die Bundeskanzlerin, der Bun- despräsident, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments sowie die Oberbürgermeister und Bürgermeister aus Mönchengladbach benachbarten Städten wie Willich oder Niederkrüchten wollen helfen. Die jüdische Gemeinde plant, in der Stadt eine Synagoge zu bauen oder ein vorhandenes Gebäude zur Synagoge umzubauen.
»Diese Unterstützung ist zunächst einmal moralisch gemeint«, erklärt die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Leah Floh. »Jürgen Rüttgers hat aber auch schon eine mögliche finanzielle Hilfe angedeutet.« Noch gibt es weder ein Grundstück noch ein geeignetes Objekt für einen Ausbau zur Synagoge – geschweige denn das nötige Geld dafür. Es gibt jedoch genug Beispiele allein schon in der Region, die den Verantwortlichen das Vertrauen geben, daß ihr Traum Wirklichkeit werden könnte. Die jüdischen Gemeinden in »Krefeld, Wuppertal, Bochum, Gelsenkirchen, sie alle haben in den vergangenen Jahren Synagogen gebaut«, zählt Leah Floh auf.
Mit Hilfe von Spenden hofft die Gemeinde, ihr Ziel erreichen zu können. »Zwei bis zweieinhalb Millionen Euro, das wird schwer sein«, weiß Inna Schwarzstein, Vorsitzende des Gemeinderates, »aber wir müssen etwas tun, wir haben einfach keinen Platz mehr.«
In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Gemeindemitglieder – vor allem durch die Zuwanderung jüdischer Immigranten aus den Ländern der GUS – etwa verdoppelt. Derzeit sind es 750 Gemeindemitglieder, mit ihren Familien 2.300 Männer, Frauen und Kinder aus Mönchengladbach, aus Städten im Kreis Viersen und Neuss bis hin an die niederländische Grenze. Und nachdem die Bedingungen für jüdische Immigranten im neuen Einwanderungsgesetz wieder geändert wurden, werden noch in diesem Monat weitere Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion erwartet.
»Schon seit Jahren platzt das Gemeindezentrum aus allen Nähten«, berichtet Floh. Jeden Tag treffen sich durchschnittlich 100 Menschen in dem Haus an der Mönchengladbacher Albertusstraße, um Angebote wie Religions-, Hebräischunterricht, Computer- oder Sportkurse, Gesprächskreise, politische Diskussionrunden, Vorträge, Musik- und Tanzgruppen oder den Schachclub zu nutzen. Außerdem bieten Mitarbeiter und Mitglieder täglich Beratung in sozialen Fragen sowie bei gesundheitlichen Problemen und die Begleitung zu Ämtern oder Ärzten. Und das alles auf 140 Quadratmetern. Denn größer ist das Gemeindezentrum mit einem Betsaal, einem Festsaal und zwei Büros nicht.
»Wir hätten noch so viele Ideen für weitere Angebote, aber wir müssen uns selbst bremsen, weil es nicht geht«, sagt Inna Schwarzstein. Die verschiedenen Gruppen der insgesamt 40 Kinder in der Sonntagsschule müssen zum Teil im Treppenhaus unterrichtet werden. Das alte Gebäude ist schlecht isoliert. Oft wird es den Nachbarn zu laut. Auch die umfangreiche Bibliothek der Gemeinde kann nicht für den Publikumsverkehr freigegeben werden, das verstößt gegen die Bauordnung.
»Wir haben vor jedem großen Fest Angst, weil wir nicht wissen, wie viele Menschen kommen«, erzählt ein Gemeinderatsmitglied. Es gibt auch nur eine winzige koschere Küche im Festsaal. Um die Kaschrut einzuhalten, verzichtet man für Kidduschim an Feiertagen auf Fleisch. Vor Pessach wird in mühevoller Arbeit und mit Hilfe von Rabbiner Kalev Krelin alles so gereinigt, daß man den Gemeindemitgliedern alles bieten kann.
Die Gemeindemitglieder setzen ihre Hoffnungen auf die Spendenaktion unter dem Titel »Schlüssel ohne Tür«. Dieser Schlüssel liegt in einer Vitrine im Flur des Gemeindezentrums. Er ist das einzige, was von der Gladbacher Synagoge geblieben ist. Das heutige Gemeindezentrum war einst die Sonntagsschule der Mönchengladbacher Gemeinde. Nur eine Parallelstraße weiter stand die alte Synagoge. Sie wurde – wie drei weitere auf dem Gebiet der heutigen Stadt Mönchengladbach (ehemals Rheydt und Gladbach) – in der Pogromnacht zerstört. Ein Nachbar fand den Synagogenschlüssel in den Trümmern und übergab ihn später der Gemeinde, die 1946 mit dem Wiederaufbau in der ehemaligen Sonntagsschule begann.
Das Spendenkonto der Aktion »Schlüssel ohne Tür«: Dresdner Bank Mönchengladbach, Bankleitzahl 310 800 15, Konto-Nummer 09 078 800 00