Synagogenneubau

Schlaflos in Ulm

von Brigitte Jähnigen

In der Nacht zum 6. Mai hat Schneur Trebnik nicht gut geschlafen. Die historische Nachricht im Ohr, wälzte der Ulmer Rabbiner Raumnutzungespläne, Ideen, Fragen nach Entbehrlichem und Unentbehrlichem für ein funktionierendes Gemeindeleben im Kopf. Denn am vorvergangenen Dienstag stellte der Gemeinderat der Stadt Ulm die Weichen für den Neubau einer Synagoge und eines Gemeindezentrums zugunsten der größten Zweigstelle der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW) in Ulm.
Deshalb liegt der Seelsorger für über 300 Gemeindemitglieder in dieser Nacht wach. Wie werden die gestalterischen Vorschläge der Architekten aussehen, die die Stadt für ein sogenanntes »begrenztes Gutachterverfahren« ausloben wird? Wie wird die Gemeinde das Projekt finanzieren können? Bei vergeichbaren Bauvorhaben in Pforzheim oder Lörrach – denkt der Schlaflose – habe es eine Drittelfinanzierung gegeben. Ein Drittel zahlte das Land, ein weiteres die Kommune und das letzte die jüdische Gemeinde.
Doch der Ulmer Oberbürgermeister Ivo Gönner sagt klipp und klar: »Da muss die IRGW tief in ihre Taschen greifen. Wir geben das Grundstück am Weinhof zu sehr günstigen Bedingungen ab, doch alle Religionsgemeinschaften finanzieren ihre Neubauten selbst.« Schneur Trebnik hat sich wohl geirrt und die Aussichten auf finanzielle Zuschüsse außerhalb der IRGW werden sich wohl ausschließlich auf Spenden beschränken.
Wenigstens ein kleines Licht erhellt das Dunkel dieser Rabbiner-Nacht: Vor zwei Jahren gründeten Mitglieder der deutsch-israelischen Gesellschaft einen Förderverein zum Bau der neuen Synagoge, sie werden schnorren gehen. Und von Amts wegen verbreitet Martin Widerker aus Stuttgart Zuversicht. »Der Vorstand der IRGW hat der Ulmer Zweigstelle versprochen, alles zu tun, damit sie aus ihren bisher miesen Verhältnissen herauskommt«, sagt der Vorsitzende des Gemeindevorstands. Und er sagt auch: »Wir sind im Wort, und wir werden unser Wort halten.«
Mehr als 70 Jahre nach der Zerstörung der einst prächtigen Ulmer Synagoge werden die jahrelangen Bemühungen der Religionsgemeinschaft um ein neues Gotteshaus mit Gemeindezentrum wahr. Die 1873 eingeweihte alte Synagoge an der Nordseite des Weinhofes war in der Pogromnacht, am 9. November 1938, in Brand gesteckt, schwer beschädigt und anschließend abgerissen worden.
1958 bebaute die örtliche Kreissparkasse dieses Gelände. Im Weinhof erinnert ein Denkmal an die ehemalige Synagoge. Das jetzt zu bebauende Grundstück in unmittelbarer Nähe zum historischen Gotteshaus wird etwa 600 Quadratmeter groß sein. Bis Herbst dieses Jahres sollen sieben Architekten ihre Entwürfe einreichen, Anfang 2010 der Neubau nach den Plänen des preisgekrönten Entwurfs begonnen, und etwa ein Jahr später die neue Synagoge eingeweiht werden.
Dann hätte das jahrelange Provisorium ein Ende. Seit sieben Jahren trifft sich die Gemeinde in einer 180 Quadratmeter großen Wohnung in nicht gerade attraktiver städischer Lage. Im Betraum haben knapp 90 Besucher Platz, zu Pessach kamen 200 – wie immer vor den Feiertagen hatte Schneur Trebnik einen Saal angemietet.
Das neue Raumprogramm sieht nicht nur einen Betsaal für 200 Menschen, eine Bibliothek und eine Mikwe, sondern auch einen Kindergarten vor. »Wir haben eine Warteliste, auch Eltern nichtjüdischer Kinder zeigen Interesse«, sagt der Rabbiner. Bisher treffen sich die sechs Kindergartenkinder morgens zum Beten im Gemeindezentrum und werden anschließend in einen städtischen Kindergarten gebracht. Ab mittags werden sie wieder in jüdischer Umgebung betreut. »Die Kooperation hat sich bewährt«, bekennt Trebnik. Und deshalb kann er sich dafür auch eine Zukunft in den neuen Räumen vorstellen.
Mit seinem Traum eines Neubaus war der Rabbiner sowohl bei der IRGW wie auch bei der Stadt Ulm von Anbeginn an auf offene Ohren gestoßen. »Nach langen Vorgesprächen und mit viel Verzögerung bieten wir dem wiedererwachenden jüdischen Gemeindeleben eine neue Heimat«, sagt Ulms Oberbürgermeister Ivo Gönner. Martin Widerker nennt den 5. Mai 2009 daher ein »historisches Datum« auch für die nichtjüdischen Bürger Ulms. »Der Beschluss bekräftigt das Vertrauen in die Demokratie, die demokratischen Parteien und die freiheitlich-demokratischen Kräfte in der deutschen Gesellschaft«, sagt Widerker. Zu den Kosten des Projekts mag er sich vorab nicht äußern. Doch der IRGW-Vorstandsvorsitzende hofft beim Stemmen des finanziellen Kraftakts auch auf die Unterstützung durch das Land Baden-Württemberg. »Ministerpräsident Günther Oettinger hat sie uns zugesichert«, erin- nert der Stuttgarter Vorsitzende.
Aufgaben seien dazu da, dass man sie löse. Jetzt heiße es, die Ärmel hochzukrempeln und sich an die Arbeit zu machen. Und wenn die zeitlichen Planungen eingehalten werden, wird Schneur Trebnik spätestens Anfang 2011 wieder ruhiger schlafen können. Dann nämlich wird sich in der neuen Synagoge und im Gemeindezentrum nach der offiziellen Einweihung jüdisches Leben im angemessenen Umfeld weiterentwickeln können.

Indischer Ozean

Malediven will Israelis die Einreise verbieten

Es ist nicht die erste Ankündigung dieser Art: Urlauber aus Israel sollen das Urlaubsparadies nicht mehr besuchen dürfen. Das muslimische Land will damit Solidarität mit den Palästinensern zeigen.

 16.04.2025

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025

Spenden

Mazze als Mizwa

Mitarbeiter vom Zentralratsprojekt »Mitzvah Day« übergaben Gesäuertes an die Berliner Tafel

von Katrin Richter  10.04.2025

Jerusalem

Oberstes Gericht berät über Entlassung des Schin-Bet-Chefs

Die Entlassung von Ronen Bar löste Massenproteste in Israel aus. Ministerpräsident Netanjahu sprach von einem »Mangel an Vertrauen«

 08.04.2025

Würdigung

Steinmeier gratuliert Ex-Botschafter Primor zum 90. Geburtstag

Er wurde vielfach ausgezeichnet und für seine Verdienste geehrt. Zu seinem 90. Geburtstag würdigt Bundespräsident Steinmeier Israels früheren Botschafter Avi Primor - und nennt ihn einen Vorreiter

von Birgit Wilke  07.04.2025

Weimar

Historiker Wagner sieht schwindendes Bewusstsein für NS-Verbrechen

Wagner betonte, wie wichtig es sei, sich im Alltag »gegen Antisemitismus, gegen Rassismus, gegen Muslimfeindlichkeit und gegen jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit« zu engagieren

 07.04.2025

Sachsen-Anhalt

Fünf Stolpersteine in Magdeburg gestohlen

Die Tat soll sich am 1. April ereignet haben

 03.04.2025

Gastbeitrag

Vom Schweigen zum Handeln

Das Bayerische Bündnis für Toleranz ist heterogen. Doch beim Kampf gegen Antisemitismus steht es vereint

von Philipp Hildmann  03.04.2025

New York

UN: Hunderte Kinder seit Scheitern der Waffenruhe in Gaza getötet

Unicef-Exekutivdirektorin fordert die Terrororganisation Hamas und Israel auf, dem humanitären Völkerrecht nachzukommen und Kinder zu schützen

 01.04.2025