Hisbollah

Schläferland

von Alexander Ritzmann

Als am vergangenen Samstag Terrorwarnungen deutscher Sicherheitsbehörden bekannt wurden, traute mancher seinen Augen kaum. Dieses Mal ging es nicht um al-Kaida, sondern um die pro-iranische Hisbollah. Nach Informationen des Bundeskriminalamts und des Bundesamtes für Verfassungsschutz verfügt die libanesische Organisation über »die Logistik, in Deutschland groß angelegte objekt- und personenbezogene Anschläge durchzuführen«. Ihre hierzulande 900 bekannten Mitglieder könnten im Falle einer Krise im Nahen Osten »jederzeit für terroristische Aktivitäten« in Deutschland eingesetzt werden.
Wie erst kürzlich bekannt wurde, hatten israelische Behörden bereits Mitte Juli den 29-jährigen Khaled K., einen Palästinenser mit israelischem Pass, verhaftet. K., der in Göttingen Medizin studierte, soll sich über Jahre hinweg mit Kadern der Terrorvereinigung in Deutschland getroffen haben, auch um weitere Studenten anzuwerben. Khaled K.s »Führungsoffizier« soll laut israelischer Anklageschrift Hischam H. gewesen sein, Vorsitzender des »Waisenkinderprojekts Libanon e.V.«. Eine Verbindung zwischen diesem Verein und der Hisbollah will die Bundesregierung noch nicht bestätigen. Sollte sich der Verdacht jedoch erhärten, bedeutet das: Spenden an die Hisbollah sind in Deutschland steuerlich absetzbar.
Was will die Hisbollah überhaupt in Deutschland? Ihr Hauptziel ist es doch, im Libanon langfristig einen Gottesstaat nach iranischem Vorbild zu errichten. Sie ist dort im Parlament vertreten und gibt sich zuweilen sogar kompromissbereit. Aber sie ist – und das ist für Deutschland relevant – eine außenpolitische Waffe des Iran. Sie unterstützt palästinensische Terrororganisationen, will Israel zerstören und ist weltweit für Terroranschläge unter anderem in Paris, Buenos Aires und Berlin verantwortlich, bei denen Hunderte Zivilisten getötet wurden. Geschätzte 200 Millionen US-Dollar jährlich erhält die Organisation aus Teheran für Waffenkäufe und zur Finanzierung ihrer umfangreichen sozialen und politischen Aktivitäten.
In Deutschland treffen sich die Anhänger der Hisbollah in 30 Kultur- und Moscheevereinen, die zum Teil direkt von Teheran kontrolliert werden. Dazu zählen das Islamische Zentrum in Hamburg und das Imam-Mahdi-Zentrum in Münster-Hiltrup. Die Hisbollah rekrutiert Kämpfer, wie 1997 den deutschen Konvertiten Stefan Smyrek, der einen Anschlag in Israel verüben sollte. Ihr Sender Al-Manar TV ist in Deutschland frei zu empfangen. Dort dürfen Mütter von einem »Märtyrertod« für ihre Söhne schwärmen. Während des Karikaturenstreits im Februar 2006 forderte Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah über Al-Manar TV Muslime auf, sich zur »Verteidigung der Ehre des Propheten zu opfern«.
Warum darf die Hisbollah in Deutschland so unbehelligt agieren? Seit Mitte der 90er-Jahre pflegt Deutschland besondere Beziehungen zur »Partei Gottes«. Erst kürzlich hat der Bundesnachrichtendienst einen Gefangenenaustausch zwischen Israel und der Hisbollah vermittelt. Außerdem, so eine Einschätzung des Bundesinnenministeriums, hielten sich die Anhänger der Hisbollah in Deutschland an die Vorgaben aus Beirut. Von ihnen gehe »gegenwärtig keine konkrete Gefahr aus, da diese sich der Aufforderung der Beiruter Zentrale folgend weitgehend gesetzeskonform verhalten«. Weil sie im Moment stillhält, toleriert die Bundesregierung eine Organisation, die in der Lage ist, Anschläge vorzubereiten und zu verüben. Dabei ermög- licht die Gesetzeslage ein entschiedenes Vorgehen. Der Spendenverein »al-Aksa« der Hamas oder die islamistische Hizb-ut-Tahrir wurden gerichtlich verboten. Geht es um die Hisbollah, verweist man gerne auf eine Gefährdung der Sicherheit deutscher Staatsbürger im Ausland oder der UNIFIL-Truppe im Libanon.
Wie akut sind Anschläge der Hisbollah auch in Deutschland? Am 30. Januar wurden einige Mitglieder der Hisbollah in Paris verhaftet. Unter deren Dokumenten befanden sich Stadtpläne von Paris, Madrid, Rom und Berlin, die mit Markierungen versehen waren. Sollte sich der Streit um Irans Nuklearanlagen oder der israelisch-palästinensische Konflikt verschärfen, oder sollte es zu einer Eskalation an der libanesisch-israelischen Grenze kommen, dann könnten also Menschen in Deutschland Opfer von Anschlägen werden. Dass die Hisbollah den Tod ihres »Sicherheitschefs«, des Top-Terroristen Imad Mughniyah, rächen würde, hat sie bereits angekündigt.
In Deutschland wird die Hisbollah so lange aktiv sein, wie sie von der Politik unterschätzt und von den Sicherheitsbehörden gefürchtet wird. Doch sie ist nicht nur eine politische Partei des Libanon. Sie ist die am besten finanzierte, ausgerüstete, trainierte und vernetzte Terrororganisation der Welt.

Der Autor ist Politischer Analyst bei der »European Foundation for Democracy« in Brüssel. Als Sachverständiger für Islamismus und Terrorismus berät er auch Abgeordnete des Deutschen Bundestags.

Hannover

Biller und Gneuß erhalten Niedersächsischen Literaturpreis

Der Nicolas-Born-Preis wird seit dem Jahr 2000 zu Ehren des Schriftstellers Nicolas Born (1937-1979) verliehen

 20.11.2024

Medien

Ausweitung der Kampfzone

Die israelfeindlichen Täter haben die »NZZ« ganz bewusst zum Abschuss freigegeben. Ein Kommentar

von Nicole Dreyfus  19.11.2024

Ehrung

Josef Schuster erhält Ehrendoktorwürde der Uni Würzburg

Seine Alma Mater ehrt ihn für seine Verdienste »um die Wissenschaft und um das kirchliche Leben«

von Imanuel Marcus  19.11.2024

Frankfurt am Main

Tagung »Jüdisches Leben in Deutschland« beginnt

Auch Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden, nimmt teil

 18.11.2024

Libanon

Israelischer Angriff auf Beirut - Sprecher der Hisbollah offenbar getötet

Die Hintergründe

 17.11.2024

USA

Wer hat in Washington bald das Sagen?

Trumps Team: Ein Überblick

von Christiane Jacke  17.11.2024

Madoschs Mensch

Wie eine Katze zwei Freundinnen zusammenbrachte – in einem Apartment des jüdischen Altersheims

von Maria Ossowski  17.11.2024

Berlin

Polizei-Bilanz: 6241 Straftaten auf israelfeindlichen Demos

Dazu wurden 3373 Tatverdächtige ermittelt

 15.11.2024

Berlin

Toleranz-Preis für Margot Friedländer und Delphine Horvilleur

Im Jüdischen Museum wird der Preis übergeben

 15.11.2024