Sie sehen es als letzte Hoffnung: Zehntausende strömten am Samstagabend nach dem Ende des Schabbats auf die Straßen Israels, um für einen Geiseldeal zu demonstrieren und Neuwahlen zu fordern.
Auf dem Platz der Geiseln in Tel Aviv sprach der Vater des entführten Nimrod Cohen, Yehuda Cohen: »Auch wenn dies kein perfektes Abkommen ist, ist es das einzige Abkommen, das es gibt.« Die Mehrheit der Israelis unterstütze es, »und daher muss es zustande kommen«, fügte er hinzu und rief den Schlachtruf der Geiselangehörigen und Unterstützer in den Abendhimmel: »Achschaw! – Jetzt!«
»Nur die Extremisten und Messianisten in der Regierung sind gegen das Abkommen, und (Premier Benjamin) Netanjahu verbündet sich aus Gründen des politischen Überlebens mit ihnen«, so Cohen weiter. Yifat Calderon, Cousine der Geisel Ofer Calderon, machte klar, dass der Premierminister nicht allein über ein Ja oder Nein entscheiden könne und forderte, dass eine Vereinbarung zwischen Israel und der Hamas in der Regierung zur Abstimmung gebracht wird.
Lautstarke Kritikerin der Regierungskoalition
Familienangehörige der Geiseln Matan Zangauker und Yoram Metzger schlossen sich der Forderung an. Die Mutter von Matan, Einav Zangauker, eine lautstarke Kritikerin der Regierungskoalition, betonte, dass das Land in diesen Stunden an einem »schicksalhaften Scheideweg« stehe. Sie verlangte von den Chefs des israelischen Sicherheitsestablishments, den Ministerpräsidenten daran zu hindern, ein Abkommen zu torpedieren. »Haben Sie keine Angst, Netanjahu gegenüberzutreten!«
Das israelische Verhandlungsteam ist mittlerweile aus der katarischen Hauptstadt Doha zurückgekehrt und äußerte »vorsichtigen Optimismus« in Sachen einer Einigung zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas. Derzeit bereite es sich auf die nächste Runde der Gespräche in Kairo vor, hieß es aus dem Büro des Ministerpräsidenten.
»Wie kann ich in einer Welt weiterleben in der ich sehe, dass nicht jeder alles tut, was er kann?«
Das Rahmenwerk für ein Abkommen basiert auf der Grundlage des jüngsten amerikanischen Vorschlags vom Mai. Derzeit sind noch immer 115 Geiseln in der Gewalt der Hamas im Gazastreifen. Jedoch seien nicht alle am Leben, gaben Sicherheitskräfte an.
Romi Gonen, eine junge Israelin, die auf dem Nova-Musikfestival von der Hamas gekidnappt wurde, wird am Sonntag 24 Jahre alt – in Gefangenschaft. Ihre Schwester Yarden hielt am Abend zuvor eine emotionale Rede: »Wie kann ich in einer Welt weiterleben, in der ich sehe, dass nicht jeder alles tut, was er kann? Unsere Geiseln sind Menschen! Menschen, die ganze Welten bedeuten! Für mich geht es um meine kleine Schwester!«
»Wer sind wir als Gesellschaft, wenn wir nicht alle alles tun, um jeden einzelnen von ihnen nach Hause zu bringen«, fragte sie mit tränenerstickter Stimme. Im Hinblick auf einen eventuellen Deal machte sie klar: »Wir dürfen diese Chance nicht verpassen – meine Romi wird zu uns zurückkehren!«
Mor Korngold, Bruder der Geisel Tal Shoham, sprach darüber, dass allen Angehörigen der Verschleppten klar sei: »Es gibt momentan eine echte Möglichkeit für einen Deal.« Dies seien entscheidende Stunden. »Für meinen Bruder, für die Geiseln, für die Soldaten, für diejenigen, die aus ihren Häusern vertrieben wurden – ja für das ganze Land.«
Abkommen sei das Richtige für Israel
Der Verteidigungsminister, alle hochrangigen Sicherheitsbeamten und viele Regierungsvertreter seien sich einig, dass ein Abkommen das Richtige für Israel ist, argumentierte Korngold. »Und ja, es ist richtig, um das Vertrauen der Öffentlichkeit wiederherzustellen, richtig für die Einheit und vor allem richtig für die Menschen, die entführt wurden und gefangen gehalten werden«, rief er unter dem Jubel der Menschen. Die Worte »Deal jetzt!« seien nicht nur ein Slogan, sondern ein Aktionsplan und der einzig wirkliche Plan.
Der ehemalige Justizminister Avi Nissenkorn sagte am selben Abend zu den Demonstranten: »Jeder Tag, der vergeht, verringert die Chancen der Geiseln, lebend zu uns zurückzukehren.«