von Elke Wittich
An den Spieltrieb von Krähen hat Wilfried Johnen nicht gedacht, als er vor elf Jahren die Synagoge Aachen plante. »Die Vögel machen sich einen Spaß daraus, die Kieselsteine, die zum Schutz auf dem Dach liegen, in den Schnabel zu nehmen und dann auf den glasgedeckten Rundgang fallen zu lassen.« Die Folge sind Risse im Glasdach. Das hätte vermieden werden können. Der Durchwurfschutz wurde seinerzeit falsch herum angebracht. Er schützt gegen Würfe von innen, nicht aber von außen. »Ich weiß nicht, was man sich damals gedacht hat«, sagt der Verwaltungsleiter. Nun muss die Aachener Gemeinde mit kaputten Scheiben leben, die Versicherung zahlt die Schäden schon lange nicht mehr.
Auch die transparente Optik, auf die man bei der Einweihung 1996 so stolz war, hat sich als großes Problem entpuppt. Die Glasscheiben lassen viel Wärme und Kälte durch, entsprechend hoch sind die Betriebskosten. Vor zwei Jahren wurde die Verglasung zwar erneuert, weil sie den Sicherheitsbestimmungen nicht mehr entsprach, doch wärmetechnisch hat dies nicht viel bewirkt. Mit einer Schutzfolie versehen, mindern die neuen Scheiben die Temperaturen gerade mal um zwei Grad. »Im Hochsommer liegen die Temperaturen im Gebäude immer noch jenseits der 40 Grad«, sagt Johnen. Um eine Klimaanlage in die Synagoge einzubauen, fehlt der Gemeinde das Geld. Ist es zu heiß, werden die Gottesdienste im Gemeindesaal abgehalten, der ist klimatisiert.
Ein weiteres Problem ist die fehlende Tagessynagoge. Man habe sie bei der Planung vergessen, sagt Johnen. Der Rabbiner habe schon sein Büro zur Nutzung angeboten. Auch Stauräume seien Mangelware. »Auf die praktischen Aspekte wurde damals nicht viel Wert gelegt«, weiß der Aachener Geschäftsführer heute.
Ähnlich geht es der Gemeinde in Chemnitz. »Unsere Synagoge ist schön anzusehen, doch wir haben viele Schwierigkeiten«, sagt der stellvertretende Gemeinde- vorsitzende Peter Ambross. Sie sei zwar räumlich klug konzipiert, habe aber »viele Gebrechen« und wurde viel teurer als geplant. Das bescherte der Gemeinde massive Finanzprobleme. Sie musste den Differenzbetrag aus eigener Tasche vorstre- cken, da die Kassen von Stadt und Freistaat nach dem Oderhochwasser im Jahr 2000 leer waren. »Wir mussten Kredite aufnehmen. Die auflaufenden Zinsen haben uns aufgefressen.« Ambross erinnert sich nur sehr ungern an diese schwierige Zeit.
Nachdem die Mehrkosten schließlich erstattet waren, hörte der Ärger allerdings noch nicht auf. Der Architekt, mit dem ein gewisser Prozentsatz der Bausumme als Honorar vereinbart war, verlangte unter Verweis auf die höheren Baukosten plötzlich mehr Geld. Das sahen die Chemnitzer nicht ein. Ambross: »Er hatte die Verteuerung verschuldet, warum sollen wir dafür büßen?« Mittlerweile haben sie sich gerichtlich geeinigt und das Problem ist vom Tisch.
Anderes jedoch lässt sich nicht einfach lösen: Das Dach der Synagoge ist undicht, die Fenster sind leck, das eindringende Regenwasser hat den Fußboden beschädigt. Die fünfjährige Garantiefrist hilft nur bedingt, denn einige der damals am Bau beteiligten Firmen existieren nicht mehr. »Da bleibt nur noch, aus der Liquidationsmasse Ansprüche anzumelden und damit dann gegebenenfalls ein anderes Unternehmen zu beauftragen«.
Ambross klingt müde, wenn er erzählt.
Die Schwierigkeiten rund um den Neubau hätten eine Menge Zeit und Energie gekostet, gibt er zu, aber der ganze Stress habe sich gelohnt: »Damals, als das Projekt geplant wurde, war unsere Gemeinde nur halb so groß. Nun können wir alle unsere Veranstaltungen im eigenen Zentrum anbieten, das wäre vorher nicht gegangen.«
Endlich Platz hat seit 2001 auch die Gemeinde Dresden. Doch dem Vernehmen nach, bleibt die große preisgekrönte Synagoge häufig leer, weil kein Minjan zusammenkommt. Der Vorstand möchte das Problem jetzt angehen. »Wir werden religiöse Unterweisungen auf Russisch haben, um den Zuwanderern die Schwellenangst zu nehmen«, sagt die Vorsitzende der Gemeinde, Nora Goldenbogen.
Keine Probleme, das Haus zu füllen, hat Heiner Olmer in Bamberg. Seine Gemeinde ging bei ihrem Bau vorausschauend zu Werke. Gemeindevorsitzender Olmer und der Architekt Jürgen Rebhan waren während der Planungen gemeinsam durch Deutschland gereist und hatten sich neue Synagogen angeschaut. Daraufhin entwarfen sie gemeinsam ein Konzept, bedachten aber immer die künftigen Unterhaltungskosten. So entstand 2005 das Gemeindezentrum, bislang ohne ersichtliche Fehler. »Mit den Kosten sind wir im Rahmen geblieben«, auch das beruhigt Heiner Olmer. Natürlich sei klar gewesen, dass eine Synagoge für 200 Leute höhere Kosten verursachen würde als ein Betraum für 50 Personen: »Wir wussten, wo unsere finanzielle Schmerzgrenze liegt und haben dann entsprechend geplant.«
Gegen unvorhersehbare kostensteigernde Ereignisse sei man allerdings nicht gefeit, sagt Olmer. Gemeinden, die sich mit dem Gedanken an einen Neubau tragen, rate er, sich in jeder Frage von Fachleuten beraten zu lassen. »Wir haben zum Beispiel eine Energieberatung machen lassen.« Die gestiegenen Gas- und Strompreise wirkten sich dennoch auf das Budget aus.
Auf 20 bis 30 Prozent schätzt Leonid Goldberg von der Jüdischen Gemeinde Wuppertal die Mehrausgaben, die durch die höheren Energiekosten seit der Einweihung der neuen Synagoge im Jahr 2002 entstanden sind. Nun versuche die Gemeinde zu sparen, wo es geht.
Von vornherein ging nicht alles wie gewünscht. Das Grundstück in Wuppertal-Barmen war zu klein, um zusätzlich zur geplanten Bühne im großen Saal einen Backstage-Raum für die Künstler vorzusehen. Jetzt müssen sie improvisieren und sich schon mal in der Küche oder in einem Vorraum umziehen. Alles in allem sei er aber zufrieden, auch wenn manche polizeiliche Auflage sich als unpraktisch erweise. Die Türen zum Beispiel sind so schwer, dass ältere und schwächere Menschen sie ohne Hilfe kaum öffnen können. Elektromotoren könnten Abhilfe schaffen. Die Kleinigkeiten sehe man eben erst, wenn ein Bau fertig sei, meint Goldberg.