von Wladimir Struminski
Will Israel den nahöstlichen Friedensprozeß nach langer Eiszeit wiederbeleben? In den letzten Tagen konnte dieser Eindruck entstehen. Beim Nahosttreffen des Weltwirtschaftsforums traf sich der Vorsitzende der Palästinensischen Nationalbehörde (PNA), Machmud Abbas, im ägyptischen Scharm al-Scheich mit der israelischen Außenministerin Zipi Liwni und Vizepremier Schimon Peres zu einem freundlichen Gespräch. Es war die erste solche Begegnung seit dem Wahlsieg der Hamas Ende Januar. Ein Treffen mit Ministerpräsident Ehud Olmert ist ebenfalls schon geplant. Es findet wahrscheinlich im Juni oder Juli statt. Zudem kündigte Peres in Scharm al-Scheich ein »konkretes Programm« für eine israelisch-jordanisch-palästinensische Kooperation an.
Mit solchen Schritten durchbricht Israel seine bisherige Politik, keine Kontakte zu der als »Terrorbehörde« etikettierten PNA aufzunehmen. Auch die israelischen Finanzsanktionen gegen die PNA wurden erstmals umgangen, als das Kabinett am Sonntag die Überweisung von umgerechnet neun Millionen Euro für das Gesundheitswesen in Gasa beschloß. Olmert selbst beteuerte bei seinem Treffen mit US-Präsident George Bush in Washington, Israel sei ein Vertragsfrieden mit den Palästinensern am liebsten.
Dennoch leitet das diplomatische Tauwetter keine grundlegende Kurswende in der israelischen Friedenspolitik ein, sind doch Israels Zugeständnisse vor allem taktischer Natur. Es ist kein Zufall, daß sie kurz vor Olmerts USA-Reise gemacht wurden – hatten doch die USA Israel zu mehr Flexibilität gedrängt. Durch das Entgegenkommen hilft Olmert seinem Gönner Bush, das Gesicht zu wahren.
Die Jerusalemer Auffassung, Israel habe keinen palästinensischen Friedenspartner, wurde durch die neue Versöhnlichkeit allerdings nicht aufgehoben. So lehnte Olmert in Interviews mit amerikanischen Medien Friedensverhandlungen mit Abbas trotz des geplanten Treffens ab. Der PNA-Vorsitzende sei gar nicht fähig, eine mit ihm getroffene Vereinbarung einzuhalten. Worüber die beiden Männer miteinander sprechen sollen, ist unter solchen Umständen unklar. Selbst die von Peres angekündigte Zusammenarbeit bezieht sich vor allem auf wirtschaftliche Aspekte. »Politisch bleiben wir getrennt«, stellte der Friedensnobelpreisträger klar.
An den Plänen für einen einseitigen Rückzug aus dem Großteil des Westjordanlandes ändert sich ebenfalls nichts. Daß er versuchen werde, vorher eine einvernehmliche Lösung zu erzielen, hat Olmert schon mehrmals zugesagt, den Palästinensern aber nur eine kurze Frist zur Erfüllung israelischer Forderungen eingeräumt. Davon unabhängig wird der israelische Alleingang vorbereitet. In Kürze legt eine noch von Ariel Scharon eingesetzte Arbeitsgruppe Vorschläge für die Räumungspolitik vor.