JITRO

Schaut auf diesen Mann!

Der Wochenabschnitt Beha’alotcha erzählt von einem Gespräch zwischen Mosche und seinem Schwiegervater Jitro. Es geschah am Sinai, wo das Volk Israel die Tora empfing und nach rund zwei Jahren aufbrach, um in das Gelobte Land zu ziehen.
In unserer Parascha erscheint der Name Jitro nicht, aber aus 2. Buch Moses 2,18 entnehmen wir, dass es sich bei Jitro und Re’uel um ein und dieselbe Person handelt. Von Jitro sind entsprechend seinen Eigenschaften sieben Namen bekannt. Schauen wir uns diesen Mann doch etwas näher an, denn er gilt als der erste Konvertit.
Auch heute begegnen uns nicht selten Menschen, die übertreten möchten. Zwar ist das Judentum keine missionarische Religion, doch nimmt man diesen Wunsch sehr ernst. Wie ernst, zeigt ein Kommentar von Rabbi Elasar Ben Simra (Midrasch Rabba zu 1. Buch Moses 12,5): »Abraham nahm viele mit ... Auch die Seelen, die er erwarb in Charan«, heißt es dort. Was ist damit gemeint? Rabbi Elasar Ben Simra erklärt: »Wenn alle Menschen zusammen versuchen würden, eine Mücke zu erschaffen, gelänge es ihnen nicht.« Aber Abraham erschuf viele Seelen. Damit sind jene Menschen gemeint, die durch ihn lernten, an den Einen G’tt zu glauben. Verhilft jemand einem Menschen dazu, so ist es, als ob er einen Menschen geboren, ihm das Leben geschenkt hat.

vision Zurück zu Jitro, dem Priesterfürsten aus Midian. Zwei Erzählungen aus der mündlichen und drei aus der biblischen Überlieferung berichten von ihm. In der ersten Geschichte lernen wir Jitro als einen Menschen kennen, der an der Geschichte Israels sehr interessiert ist und hervorragend Bescheid weiß. Er wird mit Bileam, dem Sohn Beors, und Ijob aus Uz zum Pharao gerufen, um einen ihn sehr beunruhigenden Traum zu deuten: Ein Mann mit einer Waage in der Hand steht vor seinem Thron. Auf die eine Waagschale legt er alle bedeutenden und mächtigen Männer Ägyptens, auf die andere nur ein kleines Lamm, doch dieses wiegt alle anderen auf.
Bileam erklärt, dies bedeute, dass bei den Hebräern ein Kind geboren wird, das ganz Ägypten Unheil bringen und die Israeliten mit starker Hand befreien wird. Bileam rät deshalb, alle neugeborenen Knaben der Hebräer umzubringen.
Ganz anders ist Jitros Antwort: Er erinnert daran, dass es der Hebräer Josef war, der Ägypten vor der Hungersnot rettete und die große Macht des Pharao begründete. Jitro rät: »Gehe mit diesem Volk gut um, lass es in Frieden leben und wieder dahin zurückkehren, woher es kam. Denn sein G’tt hat es aus allen Völkern erwählt und wird jeden strafen, der ihm Böses zufügt.« Dann schildert Jitro die Geschichte Israels von Abraham bis zu diesem Zeitpunkt. Als Jitro den Palast verlässt, so die Legende, nimmt er Josefs Stab mit. Er kennt dessen Besonderheit: G’tt schuf ihn am Abend des sechsten Schöpfungstages, gab ihn Adam, und von dem gelangte er über Henoch, Noach, Abraham, Isaak und Jakob zu Josef. Später gab er ihn Mosche, der damit vor dem Pharao die Wunder zur Befreiung Israels bewirkte.

Probe In der zweiten Erzählung setzt sich Jitro für Mosche ein. Wieder wird er mit Bileam und Ijob nach Ägypten gerufen, denn inzwischen lebt der kleine Mosche im Palast des Pharao und hat im Spiel die Krone von Pharaos Haupt genommen und sie sich selbst aufgesetzt. Jetzt stellt sich die Frage, ob dieses Kind das Lämmchen aus jenem Traum ist. Die drei Weisen raten, das Kind auf die Probe zu stellen und ihm je eine Schüssel mit Gold und eine mit glühenden Kohlen zu zeigen. Greift es nach dem Gold, wird es später die Macht wollen, greift es nach den Kohlen, hat es harmlos wie ein normales Kind gehandelt. Die Legende erzählt, dass das Kind zuerst nach dem Gold greifen wollte, aber ein Engel seine Hand zu den Kohlen lenkte. Alle drei Ratgeber nahmen dies war. Bileam sprach: »Er hat zuerst nach dem Gold gegriffen und muss getötet werden.« Jitro beurteilte die Sache anders. Er sagte, Mosche habe letztendlich nach den Kohlen gegriffen (und sie nach Kinderart zum Mund geführt, daher auch sein Sprachfehler). Und das sei entscheidend: Das Kind soll leben. Somit schützte er Mosche.
Die dritte Begegnung (2. Buch Moses 2,11) führt uns zurück auf biblischen Boden: Weil Mosche einen ägyptischen Sklavenaufseher erschlagen hat, flieht er zu Jitro. Er hilft Jitros Töchtern beim Tränken ihrer Herden. Jitro nimmt Mosche auf und gibt ihm später seine Tochter Zippora zur Frau. Mit ihr bekommt er zwei Söhne. Außerdem beschäftigt Jitro Mosche als Hirten. In dieser Zeit hat Mosche die Begegnung mit G’tt am brennenden Dornbusch.

LOBPREIS Das vierte Mal erfahren wir von Jitro im 2. Buch Moses Kapitel 18. Er hat von Israels Auszug aus Ägypten gehört. Da er sich mit dem Volk sehr verbunden fühlt, sucht er es in der Wüste auf, bringt Frau und Söhne zu Mosche zurück und lässt sich noch einmal all die großen Wundertaten G’ttes erzählen. Diese veranlassen Jitro zu großem Lobpreis (18,10) und Bekenntnis: »Nun weiß ich, dass der Ewige groß ist vor den Göttern« und »er brachte Brandopfer und Schlachtopfer« (18,12). Jetzt hat Jitro den G’tt Israels endgültig als seinen G’tt erkannt und angenommen. Sein kundiger Rat hilft Mosche bei der Führung des Volkes.
Im Vers 27 heißt es dann aber: »Mosche entließ seinen Schwiegervater, und er ging in sein Land.« Das Wort »wajeschalach«, »entließ«, kann vielleicht besser mit »sandte« wiedergegeben werden. Diese Übersetzung enthält gleichzeitig einen Auftrag: Jitro ging, um seine Familie und Gleichgesinnte zu überzeugen und nachzuholen.

HEIMWEH In unserer Parascha hören wir von einem weiteren Gespräch zwischen Mosche und Jitro. Die Verse sagen nicht eindeutig, ob Jitro beim Volk bleibt. Allgemein wird vorausgesetzt, dass Jitro mit seinen Angehörigen zum Volk Israel zurückgekehrt ist. Doch jetzt, beim Aufbruch vom Sinai ins Gelobte Land, möchte Jitro wieder zurück in seine Heimat. Seine Zeit mit Israel sei zu Ende, jetzt, wo sich G’ttes Versprechen erfüllen werde.
Malbim (1809-1879) erklärt Vers 30, in dem Jitro »das Gute G’ttes«, das Mosche ihm anbietet, ablehnt, mit einer Diskussion. Mosche fragt: »Fürchtest du den Krieg um das versprochene Land? Das brauchst du nicht, denn G’tt hat versprochen, uns das Land ohne Krieg zu geben.« (Es gab schließlich doch Kriege, weil das Volk der schlechten Nachricht der Kundschafter mehr traute als G’ttes Versprechen.) Jitro antwortete: »Ich will nicht bekommen, was ich nicht verdient habe.« Er wusste, dass keinem Fremden, nur den Stämmen Israels, das Heilige Land gehören sollte. Mosche aber sagte: »Du bekommst nichts Unverdientes. Deine Verdienste für dieses Volk sind Gutes, das G’tt durch dich an uns getan hat. So sollst du auch an dem Guten teilhaben, das G’tt uns versprochen hat.« Damit war das Gelobte Land gemeint. Und so bekam Jitro das beste Stück Land um Jericho.

lohn Ähnlich erklärt es Nachmanides (1194-1270): Jitro habe angenommen, er solle mit Wertgegenständen, Gold, Silber und Ähnlichem entlohnt werden. Er aber wollte weiterhin im Volk leben. Deswegen betonte Mosche Jitros Anteil »an allem Guten, was wir von G’tt bekommen« und damit einem Anteil am Land.
Ob Jitro tatsächlich ins verheißene Land kam, ist dem Bibeltext nicht zu entnehmen. Doch im Talmud Jeruschalmi gibt es eine Passage, die davon berichtet, wie Jitros Kinder Erstlingsfrüchte in den Tempel bringen. Das heißt, sie besaßen Land.
Noch etwas soll Mosche über Jitro gesagt haben: Er sei ein Mann, auf den die Welt sieht. Wenn er nun, nachdem er so lange mit Israel lebte, wieder weggeht, wird man sagen: »Es ist wohl doch nicht so gut mit dem G’tt Israels, wie er glaubte«, und dies würde der Ehre G’ttes bei den Völkern schaden. So ist es bis heute: Von unserem Verhalten als Juden hängt nicht nur das Urteil über uns ab, sondern auch die Ehre unseres G’ttes. Das sollten wir nicht vergessen.

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