von Michael Olmer
Das »Spannungsverhältnis zwischen Demokratie, Religion und Krieg« beleuchten will das diesjährige Festival für Internationale Neue Dramatik F.I.N.D. vom 29. März bis 1. April in der renommierten Berliner Schaubühne am Kurfürstendamm. Im Zentrum stehen dabei israelische Theatermacher und ihre Produktionen.
Jens Hillje, der künstlerische Leiter der Schaubühne, hatte im Sommer 2005 anlässlich einer Festivalreise die israelische Theaterszene erkundet. Das Zusammenspiel von Kunst und politischem Engagement des israelischen Gegenwartstheaters beeindruckte ihn stark. Theater habe, so Hillje, in Israel gleichsam eine »Polis-Funktion.« Es sei keine Seltenheit, dass ein neues Theaterstück mehr als 200 Aufführungen erlebe und so zwei- bis dreihun- derttausend Zuschauer erreiche. Neidvoll schauen deutsche Theaterleute auch auf die Besucherzahlen. Israel ist weltweit die Nummer eins in verkauften Theaterkarten pro Kopf. Bei einer Bevölkerung von 7 Millionen verkaufen sich 4 Millionen Eintrittskarten pro Jahr. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum werden in Israel nur 800.000 Fußballtickets verkauft. Die Theater in Israel erhalten auch mehr staatliche Zuwendungen als Museen, Konzerthäuser und Filmproduktionen.
Zu sehen bekommt das Publikum an den vier Festivaltagen fünf israelische Stücke. Das Tel Aviver Cameri-Theater zeigt am 31. März seine Produktion Plonter. Für Verwirrung (so sinngemäß die deutsche Übersetzung des Titels) sorgt die dreißigjährige Autorin und Regisseurin Yael Ronen schon mit der Zusammensetzung des Ensembles aus jüdischen und muslimischen Darstellern, die allesamt in Iwrit ebenso versiert sind wie in Arabisch. In mehr als einem Dutzend miteinander verknüpften Episoden, die an Straßensperren, Checkpoints und der Sperranlage zwischen Israel und den paläs-tinensischen Gebieten spielen, wechseln sich die Darsteller in palästinensischen und israelischen Rollen ab.
Vier weitere israelische Gegenwartsstü-cke werden in szenischen Lesungen präsentiert. In Mord des 1999 verstorbenen Hanoch Levin tötet ein Palästinenser ein israelisches Brautpaar, weil er in dem Bräutigam den Soldaten zu erkennen glaubt, der während eines Militäreinsatzes seinen eigenen Sohn tötete. Der Unfall von Hillel Mittelpunkt lässt drei betrunkene Partygänger auf dem Nachhauseweg einen chinesischen Gastarbeiter überfahren und parallelisiert persönliche Lebensschicksale einzel- ner Charaktere mit der politischen Krise des Landes. Mord ist am 30. März zu sehen, Der Unfall am 31. März. Von Ido Bornstein, einem Vertreter der jüngeren Dramatikergeneration, stammt das Familien- und Dreiecksdrama Hunger, das am 31. März gelesen wird. Am selben Tag kommt auch ein zweites Stück von Yael Ronen auf die Bühne: Reiseführer in das gute Leben handelt von einer sexuell frustrierten Single-Frau, einem TV-Reporter und weiteren Gestalten, die durch das hippe Tel Aviv herumirren.
Zusätzlich zu den Aufführungen sprechen am 31. März Hillel Mittelpunkt, Yael Ronen und Ido Bornstein, das Plonter-Ensemble am 1. April mit dem Publikum über die politischen und gesellschaftlichen Hintergründe des israelischen Theaterschaffens. Ebenfalls am letzten Festivaltag findet eine Diskussionsrunde zum Thema »Israelisches Selbstverständnis in der dritten Generation« statt.
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