von Jutta Sommerbauer
»Ich war einer der ersten hier, der mit einer Privatfirma begann«, erinnert sich der 71jährige Dimiter Pelishev. Er besann sich auf eine Tradition seiner Familie väterlicherseits: das Schlosserhandwerk. Seine Firma trägt heute einen Namen, unter dem wohl nirgendwo sonst Ersatzteile für Pflüge und Traktoren angeboten werden. Sie heißt Schalom.
Heute ist Pelishevs Haar fast weiß, seine Stimme ist schwächer geworden, er verläßt seine Wohnung nur selten. Die Küche, in der er sein Bettlager aufgeschlagen hat, ist von Sonnenstrahlen durchflutet. Von hier aus blickt man über das Zentrum der bulgarischen Stadt Sliven, die sich an den felsigen Südhang des Balkangebirges schmiegt. Leider habe er Probleme mit dem Herz, sagt Pelishev, und Diabetes noch dazu. Und er ißt so gerne Süßes!
Sein Vater habe als Handwerker in engem Kontakt mit jüdischen Kaufleuten gestanden. Und so kam es, daß dieser, ein orthodoxer Christ, Esther heiratete – ein jüdisches Mädchen, das es mit seiner Mutter im Zuge der Balkankriege von Istanbul nach Sliven verschlagen hatte.
1992 ließ Pelishev, der während des Sozialismus leitende Positionen in staatlichen Unternehmen bekleidet hatte, seine Firma Schalom ins Geschäftsregister eintragen. Von einer Reise nach Israel kurz zuvor hatte er die Idee für den Namen nach Bulgarien mitgenommen. »Das ist ein Gruß, und er wirkt als eine Art internationales Element«, erklärt er bedächtig.
Heute flitzt der Minibus mit dem grünen Davidstern und liefert an Händler und landwirtschaftliche Kooperativen »Kunst aus Stahl«, wie es auf der Website des Unternehmens geschrieben steht. Pflugschar, Sporn, Rohre und Schienen in allen möglichen Ausführungen. Mittlerweile habe sie einen guten Überblick über die Produktpalette, sagt Pelishevs 26jährige Tochter Julia. Sie und ihre jüngere Schwester Milena, sowie deren Ehemänner, führen heute die Geschäfte. Ein Familienunternehmen will zum richtigen Zeitpunkt übergeben werden, das weiß auch der Vater. Und dennoch scheint es ihm nicht ganz leichtzufallen, die Zügel aus der Hand zu geben.
Ein großes Eingangstor mit einem geschmiedeten Schalom in gelben Buchstaben begrüßt die Kunden in einem Außenbezirk der Stadt. Hier befinden sich die drei Werkshallen und das Büro der Firma. Manchmal würden die Leute schon fragen, warum die Firma ausgerechnet diesen Namen trage, pflichtet Julia bei. »Sie fragen, ob es denn etwas Jüdisches in der Firma oder Familie gebe.« Dann verweist die junge Frau auf die Großmutter Esther.
In einer der Hallen lodert die Flamme im Ofen. Mit einer langen Zange nimmt ein Arbeiter ein glühendes Stahlstück aus dem Feuer und schlägt es mit dem Hammer in Form. »Alles wird hier von Hand gefertigt«, erklärt Julia beim Gang durch die Halle. Schon als kleines Kind seien sie und ihre Schwester vom Vater zu Geschäftspartnern mitgenommen worden, so wie der Großvater das mit ihrem Vater gemacht habe. »Da war es klar, daß auch wir in die Firma einsteigen.«
Anfang der 90er Jahre war Bulgarien in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Mittlerweile ist es besser geworden, und immer mehr junge Leute können sich eine Zukunft im Land vorstellen. Auch Julia und Milena haben ihre eigene Familie gegrün- det, doch auch ihnen sei die Emigration durch den Kopf gegangen. Fast wären die Schwestern zum Studium nach Israel ausgewandert, wäre da nicht manchmal die Liebe gewesen, die den Plan vereitelte.
Heute sind nur noch wenige jüdische Familien in Sliven übrig geblieben. Zu Feiertagen versammelt sich die kleine Gemeinschaft in angemieteten Restaurants, ein eigenes Gemeindezentrum gibt es nicht mehr. Auch die Synagoge steht nicht mehr. Mit ihrem christlichen Mann hält es Julia pragmatisch. »Wir feiern alle Feiertage«, erklärt sie lachend. Weihnachten, Pessach, was auch immer es ist.
Obwohl er nur noch von zu Hause die Geschäfte übersieht, beschäftigt sich Dimiter Pelishev noch immer mit den Tücken der Marktwirtschaft. »Ich habe das Handwerk an meine Kinder weitergegeben, damit auch sie Stahl verkaufen können. Inwieweit das weiterhin klappt, wird man sehen. Aber bis jetzt läuft es«, sagt Pelishev zufrieden. »Es gibt eine Nachfrage nach unseren Produkten.«