von Ingo Way
Kommt er oder kommt er nicht? Das war monatelang die Frage. Aber das Warten hat nun ein Ende. Im Mai wird Papst Benedikt XVI. zum ersten Mal in seiner Funktion als Oberhaupt der katholischen Kirche Israel bereisen. Der Vatikan hat dies offiziell bestätigt, und auch Ministerpräsident Ehud Olmert verkündete: »Die ganze israelische Regierung begrüßt den Be-
such.« Offizieller Gastgeber sei Staatspräsident Shimon Peres. Aller Voraussicht nach reist der Papst vom 8. bis zum 15. Mai in den Nahen Osten und will dabei Israel, das Westjordanland und Jordanien besuchen.
Vorausgegangen waren die heftigsten Spannungen zwischen dem Heiligen Stuhl und jüdischen Organisationen sowie dem Staat Israel, die die Welt seit Beginn des jüdisch-christlichen Dialogs gesehen hatte. Denn mit der Rücknahme der Exkommunikation der ultrakonservativen Piusbruderschaft hatte Benedikt XVI. mit Bischof Richard Williamson auch einen bekennenden Holocaustleugner in den Schoß der Kirche zurückgeholt. Der Dialog stand auf der Kippe, und auch der Besuch des Paps-tes in Israel war mehr als fraglich. Auf beiden Seiten wuchs die Gereiztheit. Zu gut war noch die Debatte über die Rolle von Papst Pius XII. während des Dritten Reiches in Erinnerung. Diesem wird in der Daueraustellung der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem vorgeworfen, zum Massenmord an den europäischen Juden geschwiegen zu haben. Der Vatikan reagierte darauf mit Empörung (vgl. Jüd. Allg. vom 30. Oktober 2008).
Über die Pius-Kontroverse scheint inzwischen Gras gewachsen zu sein. Im Falle der Piusbrüder betonte der Papst, Antisemitismus und Holocaustleugnung seien inakzeptabel, und die katholische Kirche stehe fest an der Seite der Juden. Yad Va-shem begrüßte die Klarstellung des Paps-
tes. Eine Sprecherin bestätigte, dass Benedikt XVI. während seines Israel-Besuches
in der Gedenkstätte willkommen sei.
Nun kann er also kommen, doch die Kontroversen reißen nicht ab. Protest gegen den Papstbesuch kommt ausgerechnet vonseiten arabischer Christen aus Israel und den Palästinensergebieten. In einem offenen Brief an den Papst schreiben 40 christliche Laien, Benedikt XVI. möge seine Reise verschieben, da sie durch den israelischen Staat »missbraucht und fehlinterpretiert« werden könnte. Der Papstbesuch könne »dabei helfen, das Image Israels zu stärken und unbeabsichtigter-
weise das Leiden der Palästinenser unter der israelischen Besatzung herunterspielen«, heißt es in dem Brief. Auch solle der Papst sich dafür einsetzen, dass die Besteuerung für Kirchengrundstücke eingestellt werde, forderten die Christen.
Dies fordert der Vatikan indes schon lange. Die bilaterale Kommission zwischen Israel und dem Heiligen Stuhl verhandelt seit zehn Jahren über die Umsetzung des Grundlagenvertrags zwischen Israel und dem Vatikan. Der Vatikan fordert Steuerfreiheit für kirchliche Einrichtungen in Israel wie Krankenhäuser und Pilgerhotels. Beim jüngsten Zusammentreffen der Kommission in Jerusalem Mitte Februar seien nach Aussage der Delegierten »wichtige Fortschritte« erzielt wor-
den. Man wolle noch vor der Papstreise im Mai zu einer Einigung gelangen.
Doch damit nicht genug. Die Bischofskonferenz in Israel und in der Folge auch der Vatikan protestierten gegen eine Satiresendung im israelischen Fernsehen, in der ein Kabarettist sich über das Christentum lustig machte, nach der Devise: Wenn die Christen den Holocaust leugnen, leugne ich das Christentum. Die israelischen Bischöfe beklagten einen zunehmenden »Anti-Christianismus« in Israel. Ministerpräsident Olmert bedauerte schließlich, um die Wogen zu glätten, öffentlich die Satiresendung.
Versöhnlich gab sich auch das israelische Oberrabbinat. Am 11. März will eine Delegation des Rabbinats unter Leitung des Oberrabbiners von Haifa, Shear Yashuv Cohen, den Vatikan besuchen und dort mit Benedikt XVI. zusammentreffen. Nach der Distanzierung des Papstes von Holocaustleugner Williamson bestehe kein Grund mehr, die Beziehungen auf Eis zu legen, bestätigte ein Sprecher des Oberrabbinats.
In Israel wird derweil eifrig an den Vorbereitungen für den Papstbesuch gearbeitet. Das offizielle Besuchsprogramm steht zwar noch nicht fest. Dem Vernehmen nach wird Benedikt XVI. allerdings zu-
nächst für drei Tage nach Jordanien fahren, die neue König-Hussein-Moschee in Amman besichtigen und die Taufstelle Je-
su am Jordan besuchen. Anschließend fährt er am 11. Mai direkt nach Jerusalem, wird dort wahrscheinlich Yad Vashem besuchen, anschließend die Westmauer und die Grabeskirche in der Altstadt, und auf dem Zionsberg einen Abendmahlgottesdienst abhalten. Besuche in Nazareth und Betlehem sind ebenso wahrscheinlich wie Gottesdienste für arabische Christen im Westjordanland und in Galiläa. Der See Genezareth steht allerdings nicht auf dem – inoffiziellen – Besuchsprogramm. Die genaue Reiseroute wird das israelische Außenministerium gemeinsam mit dem Vatikan festlegen.
Ein großes Polizeiaufgebot wird im Mai die Altstadt von Jerusalem sichern. Die Vorbereitungen sind schon im Gange, sagte eine Polizeisprecherin der Jerusalem Post. Für die Sicherheit des Ben-Gurion-Flughafens sind das Verteidigungsministerium und die Streitkräfte zuständig. Der Inlandsgeheimdienst Schin Bet hat derweil das letzte Wort in sämtlichen Sicherheitsbelangen. Die israelische Regierung schätzt, dass der Papstbesuch den Staat 43 Millionen Schekel (etwa acht Millionen Euro) kosten wird. Zugleich soll er sich aber auch auszahlen: So erwartet das Tourismusministerium 15.000 Pilger während des Papstbesuches und mehrere Zehntausend im Gefolge »auf den Spuren des Papstes«. Darüber hinaus soll eine spezielle Internetseite für katholische Pilger eingerichtet werden.