italien

Schabbat oder Diktator

Am jüngsten Besuch des libyschen Staatschefs Muammar Gaddafi in Rom scheiden sich die Geister. Was den einen als »historisches Ereignis« gilt, stellt für andere eine »Demütigung der Republik Italien dar«. Der groteske Aufputz, in dem der Revolutionsführer aus seinem Flugzeug stieg, das Foto des von Italienern hingerichteten »Wüstenlöwen« Omar Mukhtar an seine pittoreske Galauniform geheftet, sein Be-
duinenzelt, das er im Park der Villa Pamphili aufbauen ließ, die Dauerverspätung bei allen offiziellen Terminen, die Verhöhnung des Parteiensystems durch den bizarren Staatsgast – all das hat in Italien heftige Polemiken ausgelöst.
»Dieser Besuch ist ein Hohn«, erregt sich der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Roms, Riccardo Pacifici. »Mich befällt ein Gefühl der Demütigung, wenn ich sehe, wie Gaddafi die Auftritte in demokratischen Gremien zur Verhöhnung der De-
mokratie missbraucht.« Pacifici übt auch harsche Kritik am italienischen Premier: »Wir erkennen Silvio Berlusconi nicht wieder. Das ist nicht jener Berlusconi, der Israel stets unterstützt hat und sich für die Ächtung von Hamas als terroristische Vereinigung stark gemacht hat.«
Dass der Revolutionsführer eine Abordnung der aus Libyen vertriebenen Juden ausgerechnet am Samstag empfangen wollte, hält Pacifici für eine Provokation. »Es ist eine Ohrfeige«, sagt er, »ein Vorschlag, für den ich nur Verachtung übrig habe. Die Juden mussten früher als die Italiener aus Libyen flüchten – viele gleich nach dem Sechstagekrieg. Tausende schifften sich nur mit einem Koffer nach Italien ein, wo sie freundlich aufgenommen wurden.«
Gaddafis Absage an den Terrorismus hält Pacifici für ein reines Lippenbekenntnis: »Wäre es so, müsste uns Tripolis endlich darüber Auskunft geben, wo sich der palästinensische Terrorist Al Zomar aufhält – einer der Urheber des Anschlags auf die römische Synagoge, der 1982 zwei Tote und 34 Verletzte gefordert hat, darunter meinen Vater.« Zomar wurde später in Griechenland verhaftet und an Libyen ausgeliefert. Seither ist über sein Schicksal nichts bekannt. »Wir wollen, dass er in Italien für seine Taten büßt«, so Pacifici.
Während Gaddafi von den Italienern mit Erfolg Wiedergutmachung für die Exzesse des faschistischen Kolonialalheeres gefordert habe, sei »er selbst zu keiner Kompensation eigenen Unrechts bereit«. In der Tat gestand Tripolis den 20.000 Italienern, die 1970 nach seiner Machtergreifung vertrieben und deren Besitz beschlagnahmt wurde, nie ein Recht auf Schadenersatz zu. Und auch die 35.000 Juden, die das Land nach 1948 verlassen mussten, wurden mit billigen Versprechungen abgespeist. Dabei lebten seit der Zeit der Phönizier Juden in Libyen – Jahrhunderte früher als die Araber sich in Nordafrika ansiedelten. Nach mehreren Pogromen hatte bei Erlangung der Unabhängigkeit 1951 bereits ein Großteil der Juden Libyen verlassen. Jenen, die im Lande blieben, wurden Wahlrecht, Staatsbürgerschaft, öffentliche Ämter und Eigentumsrecht verwehrt. Nach einem dritten Pogrom verließen 1971 die letzten 4.000 Juden Libyen. Sie durften nur einen Koffer und wenig Bargeld mitnehmen, ihr Vermögen wurde beschlagnahmt. Die versprochenen Ausgleichszahlungen blieben aus. Bei Gaddafis Macht- ergreifung lebten nur noch wenige hundert Juden in Libyen. 1974 waren es noch 20, im Februar 2002 starb die letzte im Wüstenstaat verbliebene Jüdin.
Nicht alle libyschen Juden teilen den Standpunkt der jüdischen Gemeinde. Zur kleinen Abordnung, die sich trotz Schabbat mit Gaddafi traf, gehörte der Psychotherapeut David Gerbi. Er war zwölf Jahre alt, als seine Familie 1967 aus Tripolis vertrieben wurde: »Der Schabbat ist ein Tag des Friedens, und der Friede muss unser Ziel sein. Ich bin Mitglied der jüdischen Gemeinde, habe Gaddafi die Hand geschüttelt und ihn an sein Versprechen erinnert, die Synagoge in Tripolis zu restaurieren. Ich hatte den Eindruck, dass er damit einverstanden war.«

Hamburg

Wähler lassen AfD rechts liegen, Zeichen stehen auf Rot-Grün

In Hamburg hat Bürgermeister Tschentscher (SPD) weiterhin den Hut auf. Die AfD gewinnt Stimmen hinzu, bleibt aber vergleichsweise schwach

von Markus Klemm, Martin Fischer  03.03.2025

Israel

Tausende Israelis demonstrieren für die Freilassung der Geiseln

Die erste Phase der Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas endet ohne eine Vereinbarung über eine Fortsetzung

 02.03.2025

Berlin

Geräuschlose Premiere: Schwarz-Rot sondiert still und leise

Möglichst bis Ostern soll die neue Bundesregierung stehen. Kein Selbstläufer, denn im Wahlkampf gab es viele Verletzungen. Wie problematisch diese sind, zeigt eine Umfrage in der SPD

von Marco Hadem  28.02.2025

Berlin

Entscheidung über Samidoun-Verbot dieses Jahr

Der Verein Samidoun, das Islamische Zentrum Hamburg, »Compact« - das Bundesinnenministerium hatte zuletzt eine Reihe von Vereinsverboten erlassen. Über einige wird demnächst entschieden

 26.02.2025

Berlin

Zentralrat der Muslime verurteilt Attacke am Holocaust-Mahnmal         

Am Freitag wurde ein Mann am Holocaust-Mahnmal in Berlin Opfer einer Messerattacke. Ermittler gehen von einem antisemitischen Hintergrund aus

 24.02.2025

Bundestagswahl

Orban gratuliert Weidel - und nicht Merz  

Ungarns Regierungschef hat AfD-Chefin Weidel kürzlich wie einen Staatsgast empfangen. Sie ist auch diejenige, an die er nach der Wahl in Deutschland seine Glückwünsche richtet

 24.02.2025

Berlin

Jens Spahn: Gespräche über Koalition können sehr schnell beginnen

CDU-Chef und Wahlsieger Merz will bis Ostern eine neue Regierung bilden. Bereits diese Woche soll es erste Gespräche geben

 24.02.2025

Berlin

Baerbock über Bibas-Familie: »Ihr Schmerz ist kaum zu ertragen«

Die Außenministerin kritisierte auch die Hamas dafür, die lebenden Geiseln vorzuführen

 22.02.2025

Wittenberg

Luthergedenkstätten untersuchen ihre Sammlung auf NS-Raubgut

Zwischen 1933 und 1945 erworbene Objekte werden analysiert

 19.02.2025