Heinz Berggruen

Sammeln gegen die Zeit

von Ralf Hanselle

Das amerikanische Magazin Time hat einmal geschrieben, dass es eigentlich nur zwei Dinge gäbe, die der »normale Mensch« über moderne Kunst wisse: Das eine sei der Name Picasso, das andere, dass er von diesem nichts halte. Schon deshalb wohl war der vergangenes Wochenende 93-jährig in Paris verstorbene Kunstsammler Heinz Berggruen kein »normaler Mensch«. Picasso, das Genie, das wie ein riesiger Schatten über der Kunst des 20. Jahrhunderts schwebt, hat den 1914 in Berlin Geborenen nahezu sein ganzes Leben lang begleitet. Picassos Werk, so hat Berggruen stets betont, sei für ihn das bedeutendste auf dem Gebiet der Bildenden Kunst gewesen.
Der Sohn eines gutbürgerlichen jüdischen Schreibwarenhändlers aus Charlottenburg war 1936 dem Naziterror durch Ausreise in die USA entkommen. Als Soldat der US-Army kehrte er 1945 nach Europa zurück und blieb in Paris, wo er Picasso kennenlernte. In der Rue de l’Université eröffnete der Kunstliebhaber, der zunächst eigentlich Journalist und Schriftsteller werden wollte, eine bald legendäre Kunsthandlung für Werke der klassischen Moderne. Joan Miró, Henri Matisse, Hans Arp und eben Picasso, deren Arbeiten er dort ausstellte und verkaufte, waren für den charismatischen, stets sanft und etwas zerbrechlich wirkenden Berggruen nie bloß Geschäftspartner, deren Werke es zu vermarkten galt. Für ihn waren sie Begleiter, nicht selten gar Freunde. »Ich denke«, so sagte Berggruen einmal, »Picasso gefiel meine Neugier; mein echtes Interesse an seinem Werk.«
Es waren die Jahre, in denen man sich auch als Nichtmilliardär einen Picasso noch leisten konnte. Zwar war die Avantgarde von einst inzwischen bereits selbst klassisch geworden. Dennoch: Die Preise blieben erschwinglich. Für Heinz Berggruen ein kleines Malheur. Denn aus dem Kunsthändler wurde so bald sein eigener bester Kunde. 1980 geriet er zwischen diesen beiden Rollen so sehr in Konflikt, dass er sich schließlich aus dem Galeristengeschäft zurückzog. Der Mann, der von sich behauptete, stets primär eine »sinnliche Beziehung« zur Kunst gehabt zu haben, verschrieb sich fortan ganz dem Sammeln. Am Beginn stand ein kleines Aquarell Paul Klees. Bald war Heinz Berggruen Besitzer eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen zur Kunst des Modernismus.
Aber auch hier galt: Berggruen war anders. Während Sammler wie Peter Ludwig oder später auch Mick Flick sich oft unbedacht auf große Namen stürzten, folgt Berggruens Sammlung, die er 1996 in einer unnachahmlichen Versöhnungsgeste seiner Heimatstadt Berlin überließ, stets strengen inhaltlichen Ankaufsprinzipien. Auch der pekuniäre Mehrwert war Berggruen egal. Im Jahr 2000 hat er den Großteil seiner Gemälde an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz verkauft. Damals, so wird geschätzt, hatten die mehr als 100 Arbeiten insgesamt einen Marktwert von 750 Millionen Euro. Doch Berggruen, der die Sammlung für gerade mal 129 Millionen Euro verkaufte, ging es nicht um Gewinn; er wollte die Bilder für jedermann sichtbar machen.
Der Sammler, der einst Frida Kahlo liebte und bei Picasso ein- und ausging, hat kurz vor seinem Tod einmal erzählt, dass er sich täglich liebevoll mit seinen Bildern unterhielt: »Ich sage ihnen jeden Tag ›Guten Morgen, Guten Abend und schlaft schön’«. Heinz Berggruens Tod wird wohl nicht nur unter den Menschen eine schmerzliche Lücke hinterlassen.

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