Rotwein, Internet und Prognosen
Israelis in Deutschland und ihr Wahlabend
von Dirk Hempel
Die meisten Israelis, die sich im Ausland aufhalten, hatten keine Möglichkeit, sich an dem Urnengang zu beteiligen. Trotzdem haben sie mit Spannung den Wahlausgang verfolgt, in kleinem Kreise und im wesentlichen über das Internet.
Benny Ilsar, Deutschland-Delegierter von Keren Hayesod, hat den Abend in Frankfurt am Main zusammen mit seiner Frau verbracht und die israelischen Medien intensiv verfolgt. Vor allem das Ergebnis der Rentnerpartei Gil und das mit 28 Mandaten relativ schwache Ergebnis der von Ariel Scharon gegründeten Kadima sind für ihn die Themen des Wahlabends. Beide Parteien sieht er in der künftigen Regierungskoalition, zusammen mit der Arbeitspartei und der Schas. Auch Ron Jakubowicz, Präsidiumsmitglied der Deutsch- Israelischen Wirtschaftsvereinigung, erwartet mit Neugier die »spannenden Koalitionsverhandlungen«. Der Rechtsanwalt aus München hat im Familienkreis bis in die Nacht hinein die Ergebnisse verfolgt. Vor allem die Rede von Ministerpräsident Ehud Olmert hat ihn überrascht. Der designierte Regierungschef hatte den rechten Parteien Israel Beitenu und Likud eine klare Absage erteilt und sich eher an Awoda und Meretz gewandt. Für Jakubowicz ist der Wahlausgang damit »ein positives Signal für einen guten neuen Anfang«.
Yoram Ehrlich, Mitglied im Bundespräsidium der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, hatte der Überraschungspartei ein bis zwei Sitze schon zugetraut. Aber das tatsächliche Ergebnis von Gil hat ihn dann doch überrascht, als er in Saarbrücken die Prognosen und Hochrechnungen verfolgte. Den Erfolg führt er auf ein großes gesellschaftliches Interesse an der Renten- und Sozialpolitik zurück. »Das ist die Reaktion auf die Rentenreform, die Benjamin Netanjahu veranlaßt hat.«
Auch in einer kleinen deutsch-israelischen Runde bei Eldad Beck, dem Berlin-Korrespondenten der größten israelischen Tageszeitung Yedioth Achronoth, hatte zu Beginn des Abends kaum jemand die Pensionäre auf dem Plan. »Zwei Sitze vielleicht«, so Becks Tip. Im Laufe des Abends machte sich die bei Chips und Rotwein versammelte Runde auf die Suche nach den Wählern der Rentner. Telefonate nach Israel ergeben: Mal war es eine Schwester, die als 18jährige IDF-Soldatin »mangels Alternative« für Gil votierte, mal die Oma, eigentlich seit Jahrzehnten Awoda-Anhängerin. Die Frage nach der künftigen Koalition bleibt unbeantwortet. Beck vermutet: »Schas könnte eine Schlüsselrolle spielen.«