Oldenburg

Ringparabel im Zirkuszelt

von Jörg Nielsen

»Hine ma tow umanaim schewet achim gam jachad. Schön ist es, wenn Freunde zusammensitzen.« So begrüßte Sara-Ruth Schumann die Gäste beim ersten interreligiösen Treffen in Oldenburg auf Hebräisch. Die Jüdische Gemeinde zu Oldenburg sei gern dabei, wenn in der Stadt die drei Religionsgemeinschaften einen Anfang machten, Gemeinsames zu entdecken und das Trennende achtungsvoll zu respektieren, sagte die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde.
Erstmals veranstalteten die drei großen Weltreligionen ein gemeinsames Fest. »Ohne das Trennende zu leugnen, wollen wir das Verbindende finden«, sagte auch der gastgebende Pastor Jens Teuber von der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Osternburg. Seine Gemeinde hatte die religiösen Nachbarn – die Türkisch-Islamische Gemeinde und die Jüdische Gemeinde zu Oldenburg zu einem interreligiösen Treffen in ein Zirkuszelt im Garten des Oldenburger Mehrgenerationenhauses »Sieben Eichen« eingeladen.
Den literarischen Rahmen für das Treffen schuf der Oldenburger Kammerschauspieler Horst Mehring mit seiner Interpretation von Lessings Nathan der Weise. Mehr als 170 Gäste lauschten gespannt der Erzählung aus der Zeit der Kreuzfahrer um Freundschaft, Liebe und die zentrale Frage, welche Religion die wahre sei. Der Jude Nathan rettete sich bekanntlich mit der berühmten Ringparabel, der zufolge sich die wahre Religion selber als die wahre erweisen werde. »Kaum eine andere Erzählung zeigt so deutlich, was Christen, Muslime und Juden trennt und verbindet«, sagte Teuber. Die zumeist russischsprachigen jüdischen Gemeindemitglieder hatten sich eigens auf die Lesung vorbereitet, um den Text auf deutsch gut zu verstehen.
Für Sara-Ruth Schumann war das Fest »ein Anfang, der Mut macht zu weiteren Treffen«. In Osternburg seien sich die Menschen im gegenseitigen Respekt und auf gleicher Augenhöhe begegnet. »Es ist zu früh, um von einem ständigen Dialog zu sprechen. Aber wir haben uns kennengelernt und sind neugierig aufeinander geworden«, sagte sie.
Leichte Kritik übte Schumann an den islamischen Vertretern: Es sei bedauerlich, daß von der Türkisch-Islamischen Gemeinde lediglich die Amtsträger anwesend waren. Muslimische Frauen seien nur für die musikalischen Darbietungen gekommen und gleich nach ihrer Aufführung wieder gegangen. Gern hätte sie gewußt, welchen Inhalt ihre Lieder hatten, hier wäre eine Übersetzung, möglicherweise auf einem Handzettel, sehr hilfreich gewesen. Außerdem wünschte sich Schumann, daß Imam Cavit Solmaz von Abraham nicht als Propheten sprechen möge. »Schließlich ist er unser gemeinsamer Stammvater.« Doch seien dies alles Kleinigkeiten, die im geplanten Nachgespräch mit Vertretern aller Gemeinden geklärt werden könnten.
Die Idee, das erste interreligiöse Treffen in einem Zirkuszelt stattfinden zu lassen, fand Schumann »wunderbar«: »Es ist so unprätentiös. Man braucht keine Angst zu haben, gegen irgendwelche Etikette zu verstoßen oder sich unangemessen zu kleiden.« Den koscheren Imbiß für das Fest bereiteten jüdische Gemeindemitglieder in ihrer Küche vor.
Für die überwiegend aus der ehemaligen Sowjetunion zugewanderten Mitglieder der Jüdischen Gemeinde sei das Fest eine gute Gelegenheit gewesen, auch andere Oldenburger kennenzulernen. Fast 90 Prozent der 330 Gemeindemitglieder kommen aus der ehemaligen Sowjetunion. »Für sie ist vor allem eine kulturelle Integration wichtig«, betonte Sara-Ruth Schumann.
Auch der Vorsitzende der Türkisch-Islamischen Gemeinde, Tuncay Dincer, gewann dem Fest nur Positives ab. »Wir wünschen uns, daß die drei Religionen gut miteinander auskommen.« Er lud Christen und Juden noch im Juli zu einem Tag der Offenen Tür in die Moschee ein.
Pastor Teuber wertete das Fest als großen Erfolg. Zwar habe man »den Ball beim ersten Treffen flach gehalten«, doch hoffe er sehr auf eine Wiederholung im kommenden Jahr. »Wir wollen die Möglichkeiten ausschöpfen und bis an die Grenzen des Gemeinsamen gehen«, sagte er.
Gefördert wurde das Treffen von der bundesweiten Aktion »Weißt du wer ich bin?«, die von der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (AcK), dem Zentralrat der Juden in Deutschland, dem Zentralrat der Muslime in Deutschland sowie der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) gemeinsam getragen wird. »Weißt du wer ich bin?« ist entstanden aus der älteren Initiative »Lade Deine Nachbarn ein.«
In der Initiative kommen Juden, Christen und Muslime zu gemeinsamen Gesprächen und Aktionen zusammen. Damit soll über die Begegnung hinaus der Erfahrungsaustausch zwischen Menschen verschiedener religiöser Traditionen verstärkt werden. Hintergrund des Projektes ist die Überzeugung, daß ein friedliches Zusammenleben in Deutschland auf vertiefter Kenntnis des Nächsten und seiner Überzeugung ruht. »Jeder und jede sind für uns Juden im Ebenbild Gottes geschaffen«, sagte Schumann. »So wollen wir uns begegnen.«

www.weisstduwerichbin.de

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