Die AfD ist einer Studie zufolge trotz behaupteter Solidarität mit Israel eine Bedrohung für Jüdinnen und Juden. Rechtsextremismus und Antisemitismus begleiteten die Partei bereits seit der frühen Phase ihres Bestehens, heißt es in der am Mittwoch in Potsdam vorgelegten Analyse der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS). Inzwischen stelle die AfD jedoch für demokratische Akteure ebenso wie für jüdisches Leben in Deutschland »eine echte Gefahr dar«.
Auch neue Zahlen zu antisemitischen Vorfällen wurden vorgelegt: Zwischen 2019 und 2023 wurden demnach in Deutschland mehr als 13.600
Fälle bekannt. Der Rechtsextremismus sei dabei der am
häufigsten erfasste politische Hintergrund.
Der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz, der
nach anhaltenden Bedrohungen nicht mehr für das Parlament kandidieren will, betonte, die Studie zeige ein »erschreckendes Ausmaß
rechtsextremer antisemitischer Vorfälle«. Der Bericht sei »ein
eindringlicher Appell, entschlossen und gesamtgesellschaftlich gegen
die Bedrohung durch Rechtsextremismus vorzugehen«, erklärte
Wanderwitz: »Auch in der Prüfung eines Parteiverbots muss der
Antisemitismus der AfD unbedingt Berücksichtigung finden.«
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Katrin Göring-Eckardt sagte, die
AfD nähre »systematisch antisemitische Ressentiments« und mache
Antisemitismus salonfähig. Ein Verbot müsse deshalb geprüft werden.
Die SPD-Abgeordnete Maja Wallstein unterstrich, die AfD gebe »jeden
Anlass, ihre Verfassungsmäßigkeit anzuzweifeln«. Die
Linken-Abgeordnete Martina Renner erklärte, die AfD müsse »dringend
gestoppt werden«. Der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle erklärte, es
sei frappierend, dass Gruppen, die sich sonst feindlich
gegenüberstünden, häufig ausgerechnet beim Antisemitismus den
kleinsten gemeinsamen Nenner fänden.
Antisemitismus in der AfD stammt unter anderem aus nationalkonservativem Geschichtsbild
In der Studie heißt es weiter über die AfD, der »regelmäßig zu
beobachtende Antisemitismus in der Partei und ihrem Umfeld« speise
sich unter anderem aus einem nationalkonservativen Geschichtsbild.
AfD-Funktionäre versuchten zugleich, sich durch eine
selbsterklärte Israelsolidarität und mit der Thematisierung von
Antisemitismus unter Migranten vom Vorwurf des Antisemitismus
freizusprechen.
Die Erinnerung an die Schoah als »Schuldkult« zu diffamieren und
in der Kritik stehende AfD-Mitglieder mit Juden während des
Nationalsozialismus gleichzusetzen, seien dort typische Formen des
Umgangs mit der NS-Vergangenheit, heißt es weiter. Anders als frühere
rechtsextreme Parteien sei die AfD auch in der Lage, in der
Bevölkerung vorhandene Einstellungsmuster als Wahlverhalten
abzurufen. Der Antisemitismus sei zwar aktuell kein
Hauptmobilisierungsfaktor. Er sei für AfD-Anhänger jedoch auch kein
Grund, die Partei nicht zu wählen.
Von den insgesamt 13.654 bekanntgewordenen antisemitischen
Vorfällen hätten 44 Prozent einen klar erkennbaren politischen
Hintergrund gehabt, heißt es weiter in der Studie. Bei 56 Prozent der
Fälle sei die Motivation unbekannt. Insgesamt 2.284 und damit 17
Prozent der Fälle seien dem Rechtsextremismus zuzuordnen. Zwölf
Prozent hätten einen verschwörungsideologischen Hintergrund. epd