von Sabine Brandes
Wenn Jasmitha groß ist, möchte sie allen Kindern, die es brauchen, Geld geben, um gesund zu werden. Ob sie jedoch je groß werden wird, weiß niemand. Denn was sie sich für andere wünscht, fehlt ihr selbst: Gesundheit und Geld. Die Siebenjährige hat Krebs. Ärzte im Krankenhaus von Ramat-Gan entfernten einen bösartigen Tumor aus dem Kopf und retteten ihr zunächst das Leben, doch jetzt fehlt das Geld für die notwendige Chemotherapie. Jasmitha Maha-
rian stammt aus Sri Lanka und lebt mit ih-
ren Eltern auf Zypern, die dort als Gast-
arbeiter beschäftigt sind.
Ihre Geschichte ist kein Einzelfall: Wie dieses kleine Mädchen kommen jährlich immer mehr Kinder als Medizin-Touristen nach Israel, deren einzige Hoffnung in den versierten Spezialisten und der modernen Technologie des Heiligen Landes liegt.
Wohltätigkeitsorganisationen auf Zy-
pern hatten einen beträchtlichen Betrag gespendet, der es dem Mädchen und seiner Mutter ermöglichte, nach Israel zu reisen. »Als sie hier ankam, war sie fast blind und konnte nicht mehr laufen«, berichtet Anat Saig, Koordinatorin für medizinische Touristen im Scheba-Krankenhaus, »jetzt kann sie wieder sehen und hat mit dem Lauftraining begonnen. Sie ist sehr tapfer«. Doch um wirklich genesen zu können, benötigt Jasmitha eine extrem aggressive Chemotherapie, die viel Geld kostet. Es sei ein langer Prozess, der neun bis zwölf Monate dauere, und er habe erst begonnen, erklärt Saig. Ohne diese wei-
terführende Therapie habe Jasmitha so gut wie keine Überlebenschance.
Was geschieht, wenn der letzte Dollar verbraucht ist? »Wir wissen es nicht«, sagt Saig. Das hätte nichts damit zu tun, dass das Mädchen Ausländerin ist. Auch Isra-
elis würden nach der unmittelbaren le-
bensrettenden Maßnahme, zu der die Krankenhäuser verpflichtet sind, nicht weiterbehandelt, wenn kein Geld beziehungsweise keine Krankenversicherung da sei. »Das ist leider so im Gesundheitswesen.« Zwar arbeitet Jasmithas Vater weiter auf Zypern und schickt, so viel er kann, doch es reicht bei Weitem nicht. Saig: »Fakt ist, dass Jasmitha schnell Geld braucht.«
Die Kinder, die mit SACH kommen, wünschen sich Israels Hilfe genauso sehr wie Jasmitha – obwohl einige der Länder, in denen die Mädchen und Jungs leben, den jüdischen Staat am liebsten von der Landkarte radieren würden. SACH bedeutet »Save a child’s heart« – rette das Herz eines Kindes. Die Einstellung ihrer Hei-
matregierungen hat keinen Einfluss auf die Behandlung der kleinen Patienten. Der mittlerweile verstorbene Gründer und Herzspezialist Dr. Ami Cohen hatte sich auf die Fahnen geschrieben, so viele herzkranke Kinder aus Entwicklungsländern zu retten, wie nur möglich. SACH ist eine internationale Organisation mit Basis am Medi-
zinischen Zentrum Wolfson in Holon, zu der hier 70 Experten gehören, die, vom Chefarzt bis zum Physiotherapeuten, alle-samt ehrenamtlich arbeiten. »Rette ein Kin-
derherz« (www.rette-ein-kinderherz.de) gibt es auch in Deutschland.
Die Mediziner wählen Kinder vom Säuglings- bis zum Teenageralter, »aus allen vier Ecken der Welt«: aus Equador, China, Äthiopien und dem Kongo. Sowie aus Jordanien, dem Irak und den Palästinen-
sischen Gebieten, also dem Gasastreifen und der Westbank. Dr. Akiva Tamir ist leitender Kinderkardiologe des Kranken-
hauses und einer der Gründer von SACH: »Wir haben kein Problem damit, wo die Kinder herkommen. Sie verdienen es einfach, gesund zu sein.« Besonders als Jude sei ihm klar, dass man niemanden nach seiner Herkunft beurteilen darf. »Unsere Kinder wurden von den Nazis getötet, weil sie jüdisch waren. Doch wir sind in erster Linie alle einfach nur Menschen.«
Sechs Promille der Erdbevölkerung leide unter angeborenen Herzfehlern, erläutert der Arzt. Dies sei in allen Ländern und Bevölkerungsschichten so. SACH will deshalb auch helfen, die Qualität der Kinder-
heilkunde auf dem Gebiet der Kardiologie in Entwicklungsländern verbessern und Kompetenzzentren aufzubauen. Im End-
effekt sollen die Kinder in ihren Hei-
matländern behandelt werden, doch gerade bei Notfällen ist das oft noch nicht möglich. Jedes Jahr werden herzkranke Mädchen und Jungen nach Israel gebracht, die Zahl wächst stetig. 1996 waren es 48, im vergangenen Jahr schon 210. Insgesamt behandelte das Team bereits 1.800 Kinder, 5.000 aus 29 Ländern wurden untersucht. Die Kosten für die Behandlung belaufen sich pro Kind auf etwa 10.000 Dollar, die komplett von SACH getragen werden.
Fast die Hälfte der Patienten, 45 Pro-
zent, stammen aus Jordanien, dem Irak und den Palästinensischen Gebieten. Mit- hilfe der christlichen Organisation »She-
vet Achim« unter der Leitung des Ame-
rikaners Jonathan Miles findet SACH Kin-
der im krisengeschüttelten Irak und bringt sie samt Eltern über Jordanien nach Israel. Bei den Visaangelegenheiten seien die Behörden extrem hilfsbereit, betont Tamir.
Die Vorbeurteilung der Kranken erfolgt meist in Jordanien. »Wir können nur Kinder hierher bringen, wenn die Behandlung Erfolg verspricht«, macht der Doktor deutlich, »sonst wären Reise, Aufregung und Stress zu viel für die kleinen Patienten und ihre Familien. Doch wir bringen, so viele es geht, unsere Arbeit ist sehr erfüllend. Ein gerettetes Kind zu sehen hat etwas Gött-
liches, das ist stärker als jeder Hass«. Nächs-
te Woche macht sich Doktor Tamir mit seinem Team wieder auf nach Jordanien. Es gilt noch viele Herzen zu retten.