von Holger Biermann
Bei Wind und Regen versammelten sich vergangenen Freitag in Frankfurt (Oder) rund 100 Teilnehmer zur Gedenkfeier für die Opfer der Pogromnacht von 1938. Anders als im vergangenen Jahr, als Rechtsextremisten den Gedenkstein der ehemaligen Synagoge schändeten, blieb es diesmal dank einer 24-Stundenmahnwache engagierter Bürger nach der Feier an der Karl-Marx-Straße ruhig. Auch die Polizei zeigte starke Präsenz und sprach insgesamt drei Platzverweise gegen rechtsgerichtete Personen aus.
»Danke, dass so viele gekommen sind«, begrüßte Barbara Krüger vom Ökumenischen Rat in ihrer Gedenkrede die Anwesenden, darunter viele Mitglieder der Frankfurter jüdischen Gemeinde, die inzwischen 250 Mitglieder zählt. Krüger betonte: »Nur wer sich erinnert, kann auch die Gegenwart verantwortlich gestalten.« Ein Satz, der bei vielen Teilnehmern vor allem die erschreckenden Szenen des vergangenen Jahres ins Gedächtnis zurückholte. Damals hatten rechtsextreme Jugendliche im Alter von 14 bis 19 Jahren im Anschluss an die Gedenkfeier lautstark Kränze und Blumen von dem Stein getreten und darauf uriniert.
Die fremdenfeindliche und antisemitische Gesinnung, die hinter den Taten steht, sei auch heute noch in der Stadt zu finden, sagte Krüger. Niemand könne sicher sein, dass so etwas nicht wieder passiere. Übergriffe und Gewalttaten gehörten zum Alltag. Krüger verwies auf einen rechten Szeneladen in der Frankfurter Innenstadt. »Das macht mir Sorgen«, sagte sie, »besonders im Hinblick auf die Kommunalwahlen im nächsten Jahr.« Krüger mahnte, stets wachsam zu bleiben und nicht zu schweigen.
Zu Wort kamen bei der Gedenkfeier in Frankfurt auch zwei Schülerinnen des Friedrichsgymnasiums, die von ihrer Begegnung mit der Schoa-Überlebenden Esther Mannheim berichteten, die sie in Israel besucht hatten. »Das Leben ist zu kostbar, um es mit Anklagen und Vorwürfen zu vergeuden«, habe Esther Mannheim den Schülerinnen erklärt, »aber wir dürfen nie vergessen.«
Die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Frankfurt (Oder) äußerten sich sehr zufrieden über den Verlauf der Veranstaltung, die mit einer Schabbatfeier und dem Kiddusch im Gemeindehaus ausklang. »Wir haben in diesem Jahr viel Aufmerksamkeit und großen Zuspruch erfahren, das ist ein wichtiges Zeichen«, sagte Vorstandsmitglied Vladimir Khazanov. »Ich bin voller Hoffnung, dass sich Vorfälle wie im vergangenen Jahr nicht wiederholen werden.«
Kritik kam dagegen von Frank Hühner, der als Koordinator der »Plattform gegen rechts« für die Mahnwache mitverantwortlich war: »In einer Studenten-Stadt wie Frankfurt hätte ich mir gewünscht, dass sich mehr Studenten engagieren.«