von Christian Schütte
Gleich drei Anlässe gibt es für die Herbsttage der Jüdischen Musik 2008 vom 1. bis 16. November in Hannover. Am 9. November vor 70 Jahren brannten die Synagogen, vor 20 Jahren gründete Andor Izsák das Europäische Zentrum für Jüdische Musik, und in diesem Jahr zieht das Zentrum in die Villa Sigmund Seligmanns, Mitbegründer der Continental AG, um.
Höhepunkt der zweiwöchigen Veranstaltung unter dem Motto »Gedenken und Zuversicht« wird das Konzert am 9. November im Kuppelsaal des Kongresszentrums Hannover sein. Die an den Herbsttagen beteiligten Chöre aus Deutschland, Italien, Großbritannien, Kanada werden gemeinsam singen. Im ersten Teil steht jüdisch-liturgische Musik von Louis Lewandowski und Salomon Sulzer auf dem Programm, im zweiten Teil Auszüge aus Gus- tav Mahlers 2. Symphonie c-Moll, der »Auferstehungssymphonie«, mit den Solistinnen Helen Donath und Mareike Braun. Es spielt die Radio-Philharmonie Hannover des NDR, die Leitung haben Andor Izsák und Moshe Atzmon, der langjährige Chefdirigent des Orchesters.
Salomon Sulzer und Louis Lewandowski sind auch im Gesamtprogramm stark vertreten. Schließlich handelt es sich bei ihnen um die bedeutendsten Komponisten jüdischer liturgischer Musik der Neuzeit. Sulzer (1804 bis 1890) übernahm bereits als 16-Jähriger das Amt des Kantors an der Synagoge seiner Heimatstadt Hohenems im Vorarlberg. 1826 wechselte er in gleicher Position an den neu errichteten Stadttempel in Wien. Mit seiner Sammlung von Gesängen »Shir Zion« begründete Sulzer die musikalische Reformation der jüdischen Liturgie. Veröffentlicht wurde sie 1838, die Ausbreitung des Werks brachte den Begriff des »Sulzerkantors« für seine Schüler hervor, die mit ihrem Gesang die Gottesdienste in den Reformgemeinden vor allem Deutschlands und später der USA prägten.
Louis Lewandowski, geboren 1821 im heutigen Polen, gestorben 1894, kam mit zwölf Jahren nach Berlin. In der dortigen jüdischen Gemeinde fand Lewandowski schnell Förderer seines musikalischen Talents und wurde Gehilfe des Kantors Ascher Lion. Die Gemeinde finanzierte ihm ein Studium an der Akademie der Künste, an der Lewandowski der erste jüdische Student war. Wie Sulzer trug auch Lewandowski wesentlich zur Reform des jüdischen Gottesdienstes bei, unter anderem durch die Einführung der bis dahin verpönten Instrumentalmusik in die Synagogen .
Neben Sulzer und Lewandowski kommen in den Konzerten auch Werke von Steve Reich, Michael Tippett und Leonard Bernstein zur Aufführung. Ein weiterer Höhepunkt des Programms werden die Auftritte Benjamin Z. Maissners am 8., 9. und 12. November sein. Maissner, der sowohl als Solist wie auch als Dirigent auftritt, ist Oberkantor der Jüdischen Gemeinde in Toronto. Sein Onkel Israel Alter war der letzte Kantor der Hannoverschen Synagoge vor ihrer Zerstörung durch die Nazis. Eine Auswahl synagogaler Gesänge, die Israel Alter komponierte, wird am 8. November zu hören sein.
Andor Izsák will mit der Konzertreihe auch den Dialog der Religionen fördern. Deshalb finden die Konzerte nicht nur in der Synagoge statt, sondern ebenso in den großen evangelischen Kirchen Hannovers und in der Hauptkirche der Katholiken, aber auch an nicht-sakralen Orten wie dem Kongresszentrum und dem Maritim Hotel. Mit Hilfe von Sponsoren hat es Izsák zudem geschafft, dass die meisten Konzerte kostenlos besucht werden können.
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