Reden mit dem Feind?
Jüdischer Weltkongreß diskutiert über den
richtigen Umgang mit dem Iran
Der Vorsitzende des Jüdischen Weltkongresses (WJC), Israel Singer, hat sich für einen Dialog mit der iranischen Führung ausgesprochen. Wenn er eine Einladung nach Teheran erhalten würde, sei ein Gespräch mit Irans oberstem geistlichen Führer, Ajatollah Ali Chamenei, über das Judentum und den Islam denkbar, sagte Singer dem »Tagesspiegel am Sonntag«. Chamenei sei ein Ansprechpartner. Mit Blick auf den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, der den Holocaust geleugnet hat, ergänzte er: »Ich würde versuchen, ihn zu überzeugen, daß das, was er tut und sagt, von einem religiösen Standpunkt aus gesehen nicht richtig ist.« Singer sprach sich im Atomkonflikt für Wirtschaftssanktionen gegen Teheran aus. Die internationale Staatengemeinschaft solle Ahmadinedschad zudem klarmachen, »was passiert, wenn der Westen ihn isoliert«.
Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland und Vizechefin des Jüdischen Weltkongresses hält jedoch nichts von Gesprächen mit dem Iran. »Jetzt ist für die jüdische Gemeinschaft nicht die Zeit, um mit Teheran zu sprechen. Ein Machthaber, der den Holocaust leugnet, Juden ins Meer werfen und Israel von der Landkarte tilgen will, kann für uns kein Dialogpartner sein«, sagte sie der Jüdischen Allgemeinen. Mindestbedingung vor einem möglichen Gespräch mit iranischen Politikern sei, daß der iranische Präsident sich öffentlich und glaubhaft von seinen ungeheuerlichen Aussagen distanziert und sich dafür entschuldigt. Die für Oktober in Teheran geplante sogenannte Konferenz zum Holocaust müsse ersatzlos gestrichen werden. Von der internationalen Gemeinschaft erwartet Knobloch, daß der Iran politisch und wirtschaftlich isoliert wird. »Zuvor wird dort in meinen Augen kein Umdenken stattfinden.«
Vergangene Woche hatte der Politische Rat des Jüdischen Weltkongresses in Berlin getagt. Das Gremium berät die WJC-Führung in politischen Fragen. Auch prominente Experten wie der ehemalige Außenminister Joschka Fischer, Caio Koch-Weser, Vizechef der Deutschen Bank, und der französische Kardinal Jean-Marie Lustiger nahmen an der Tagung teil. Neben der Frage, was die jüdischen Gemeinden der Bedrohung durch den Iran entgegensetzen können, ging es auch um den Dialog der Religionen und Kulturen, einen möglichen Beitrag der Juden in der Diaspora zu einer friedlichen Lösung in Nahost und die Entschädigung von Holocaust-Opfern