»Rede nicht darüber!«
Der israelisch-arabische Handel blüht –
trotz Boykottaufrufen
von Ralf Balke
Wenn Handels- und Industriemessen Spiegelbilder der politischen Situation wären, könnte man glauben, zwischen Israel und der islamischen Welt herrsche eitel Sonnenschein. So kündigte kürzlich eine Delegation aus Pakistan ihre Teilnahme an der Agritech 06 an, einer Fachmesse für Landwirtschaftstechnik, die im Mai stattfindet. »Es ist der erste offizielle Besuch von Geschäftsleuten aus Pakistan in Israel«, sagt Messedirektor Danny Meiri. »Aber noch viel interessanter ist, daß niemand aus Angst vor Repressalien seine Identität oder den Namen seines Unternehmens geheimhalten möchte.« Laut Meiri sind die Pakistanis nicht allein. Fünfzig weitere Geschäftsleute aus arabischen und islami- schen Ländern, mit denen Israel diplomatische Beziehungen unterhält, planen, sich über israelische Bewässerungstechnik oder neues Saatgut zu informieren. Sogar eine nicht näher genannte Zahl von Besuchern aus Staaten wie Afghanistan, Malaysia und Indonesien hat sich angemeldet – obwohl diese Staaten Israel nicht anerkennen.
Die Agritech 06 ist Ausdruck eines Trends, der durch Zahlen bestätigt wird. Das Israel Export Institute verzeichnete für das Jahr 2005 einen Anstieg der israelischen Ausfuhren in die arabischen Länder um 29 Prozent auf ein Volumen von 232,6 Millionen Dollar, wobei Diamanten in dieser Statistik nicht erfaßt werden. Zudem gelangen weitere israelische Waren im Wert von 12 Millionen Dollar offiziell über Drittländer an ihre Abnehmer in der arabischen Welt. Zum Vergleich: Der beiderseitige Warenaustausch zwischen Israel und der Europäischen Union hat eine Größenordnung von rund 30 Milliarden Dollar.
Die Zahlen lassen aufhorchen, denn unmittelbar nach dem Ausbruch der zweiten Intifada im September 2000 hatten auf einer Konferenz in Damaskus Gastgeber Syrien und Saudi-Arabien den Versuch gestartet, dem von der Arabischen Liga in den 50er Jahren beschlossenen Wirtschaftsboykott gegen Israel neuen Schwung zu verleihen. Katar, Tunesien und Marokko machten ihre in den Neunzigern eröffneten Han- delsvertretungen in Tel Aviv wieder dicht. Doch zum Ärger der Herrscher verzeichnet der israelisch-arabische Handel wenige Jahre später zweistellige Zuwachsraten.
Es gibt zudem einen Warenaustausch, der in keiner Statistik auftaucht. Er verbirgt sich etwa hinter den rund 170 Millionen Dollar, für die das kleine Zypern jährlich israelische Produkte bezieht – ohne Herkunftsbezeichnung geht ein Großteil davon direkt weiter in arabische Länder. Laut »Info Prod Research«, einer Tel Aviver Beraterfirma, die auf die arabischen Märkte spezialisiert ist, hat dieser »verborgene Handel« ein Volumen von etwa 400 Millionen Dollar. Bei den Geschäften durch die Hintertür gilt: Rede nicht darüber! Weder der israelische Produzent noch der arabische Kunde verlieren ein Wort über die Geschäfte. Wenn doch etwas öffentlich wird, ist garantiert ein Fehler unterlaufen. So wie jüngst in einem Krankenhaus in Dubai, als Mitarbeiter den örtlichen Medien zufolge »schockiert« feststellten, daß ihre Uniformen, Handtücher und Bettbezüge einen »Made in Israel«-Sticker trugen. Der israelische Exporteur hatte die Kartons vertauscht und versehentlich Ware mit Herkunftsbezeichnung verschickt.