von Tobias Kaufmann
Bisher war Delmenhorst einer größeren Öffentlichkeit allenfalls durch die Popsängerin Sarah Connor bekannt, die aus der niedersächsischen Kleinstadt stammt. Doch seit einigen Tagen ist Delmenhorst in den Schlagzeilen. Unfreiwillig. Der Rechtsextremist Jürgen Rieger möchte das seit Jahren leerstehende Hotel am Stadtpark kaufen. 3,4 Millionen Euro hat Rieger geboten. Günter Mergel, dem finanziell klammen Besitzer der Immobilie, scheint es egal zu sein, von wem er diese Summe bekommt. Rieger ist als Rechtsextremist hinlänglich bekannt, einschlägig vorbestraft – und plant höchst offiziell, das Hotel in ein Schulungszentrum für rechtsextreme Gruppen umzuwandeln. Auch NPD-Parteitage könne er sich dort vorstellen, teilte Rieger mit.
Delmenhorst würde damit schlagartig in den Fokus der Neonazi-Szene rücken. »Für uns ist diese Vorstellung ungeheuerlich«, sagte Pedro Becerra, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Delmenhorst der Jüdischen Allgemeinen. »Dieses Vorhaben muß gestoppt werden.«
Die Jüdische Gemeinde ist mit ihrem Protest nicht allein. Kirchen, Gewerkschaften, die Stadtverwaltung – aus allen Richtungen regt sich Widerstand. Mehrere tausend Menschen demonstrierten am Mon- tag gegen das Vorhaben. »So eine Demo hat’s hier noch nicht gegeben«, sagte Becerra. Daß sich Rieger von den Protesten beeindrucken läßt, ist unwahrscheinlich. Becerra hofft vielmehr, daß Mergel, der Verkäufer, »zur Besinnung« kommt. »Wir haben privatrechtlich keine Möglichkeit, den Verkauf zu verhindern«, räumt Oberbürgermeister Carsten Schwettmann (CDU) ein. Dennoch ist die Stadt entschlossen, den Kauf zu verhindern. Eine Bürgerinitiative hat ein Treuhandkonto eingerichtet. Die Stadt ruft ihre Bürger auf, Geld zu spenden. Das Ziel: Man will dem Hotelbesitzer ein Alternativangebot machen. Dafür bleibt jedoch wenig Zeit. Mitte August soll der Kaufvertrag laut Rieger bereits unterschrieben werden.
Der Neonazi-Anwalt hatte vor gut zwei Jahren den Heisenhof, ein ehemaliges Bundeswehrgelände in Dörverden (Nieder- sachsen) für die Wilhelm-Tietjen-Stiftung gekauft, die er selbst verwaltet. Die Stiftung ist »Fruchtbarkeitsforschung« gewidmet, mit der das Fortbestehen der »nordischen Rasse« gesichert werden soll. Doch Kommunen und Bürger kämpfen bisher erfolgreich gegen eine rechtsextreme Nutzung des Geländes. Kein Wunder, daß in Dörverden der Fall Delmenhorst für Aufsehen sorgt – auch dort soll die rechtsextreme Stiftung der Käufer sein. »Aus den Erfahrungen mit und um den Heisenhof kann ich meinem Delmenhorster Kollegen nur empfehlen, bereits im Vorfeld alles zu unternehmen, um den Verkauf des Hotels an die Wilhelm-Tietjen-Stiftung abzuwenden, sagte Bürgermeister Rainer Herbst. Auch Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hat dem geplanten Schulungszentrum den Kampf angesagt. Die Landesregierung werde mit Entschlossenheit dagegen vorgehen, sagte Schünemann. »Wir sind hoch alarmiert.«
Der Delmenhorster Stadtrat Bernd Müller-Eberstein betonte, man werde für den Fall, daß der Verkauf zustandekommt, bei Anträgen auf Nutzungsänderung alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen. Bauordnungsrechtlich sei das Haus als Hotelbetrieb ausgewiesen und müsse als solches betrieben werden. Das Hotel verfügt laut Müller-Eberstein über keine Veranstaltungsräume. Allerdings hat Rieger angekündigt, ohnehin keine großen Veränderungen zu planen. Seine Klientel könne mit dem 80er-Jahre-Ambiente der Herberge gut leben. (mit dpa)