von Wladimir Struminski
Auf den ersten Blick ist Daniel Friedmann der ideale Justizminister. Der Professor der Rechtswissenschaften gehört zu den brillantesten Juristen des Landes, genießt auch international hohes Ansehen und ist Träger des renommierten Israel-Preises. In der vergangenen Woche wurde Friedmann auf Vorschlag von Ministerpräsident Ehud Olmert problemlos vom Kabinett und der Knesset zum neuen Chef des Justizressorts ernannt. Die Neubesetzung war erforderlich geworden, nachdem Ex-Justizminister Chaim Ramon eines Sexualdelikts schuldig gesprochen wurde. Dennoch schlug Friedmanns Wahl wie eine Bombe ein. Der Grund: Der nunmehr zum Minister Aufgestiegene führt seit Langem einen Kreuzzug gegen das Oberste Gericht und damit gegen die einzige noch verbleibende Institution, der die meisten Israelis volles Vertrauen schenken. Mit Friedmanns Berufung, meinen deshalb Kritiker, habe Olmert dem Gericht den Krieg angesagt.
Dass Friedmanns kämpferische Weltanschauung Olmert unbekannt war, darf man ausschließen. Der scharfzüngige Rechtswissenschaftler hat sein Credo wiederholt in Wort und Schrift bekannt: Das Oberste Gericht, von liberalen Kreisen als Bastion der Rechtsstaatlichkeit und Hüter der Menschenrechte gepriesen, müsse in seiner Macht drastisch beschnitten werden. Nicht zuletzt läuft Friedmann gegen das Recht der obersten Richter Sturm, Gesetze der Knesset für verfassungswidrig zu erklären. Aus Friedmanns Sicht ist das Amtsanmaßung: »Die Aufsicht des Gerichts über Fragen der Gesetzgebung muss dringend neu geregelt werden«, ereiferte er sich.
Mehr als das: Friedmann hat sich vor einigen Jahren auch persönlich mit der damaligen obersten Richterin und heutigen Gerichtspräsidentin Dorit Beinisch überworfen, der er die Amtseignung abspricht. Wie es heißt, haben die beiden seit vier Jahren nicht mehr miteinander gesprochen.
So sieht man am Obersten Gericht der Ära Friedmann mit Sorge entgegen. Der kürzlich pensionierte Vizepräsident Michael Cheschin, als Ehemaliger von diplomatischen Zwängen befreit, warnte Friedmann denn auch mit der Düsterheit eines biblischen Propheten: »Die Hand, die sich gegen das Oberste Gericht erhebt, schlage ich ab.« Ganze vier Tage vor seiner Ernennung hatte sich Friedmann auch noch mit dem Rechtsberater der Regierung, Meni Masus, und der Generalstaatsanwaltschaft überworfen. Ihnen warf er in einem Zeitungsbeitrag vor, seinen Vorgänger Ramon zu Unrecht vor Gericht gestellt und damit in ihrer Amtsausübung versagt zu haben. Jetzt ist er ihr Dienstherr geworden.
Angesichts der Kritik versuchte Friedmann die Wogen zu glätten und erklärte, er werde nicht alle Reformen vorantreiben, für die er sich bisher eingesetzt habe. Am Tag der offiziellen Amtsübernahme erwähnte er nur Vorhaben, über die Konsens herrscht, etwa die von ihm befürwortete Stärkung der hoffnungslos überlasteten Bezirksgerichte. Die Skeptiker beruhigt das nicht. »Der neue Minister kritisiert die Justiz nicht nur, er hat auch kein Vertrauen zu ihr«, stellte der Vorsitzende der linksliberalen Meretz-Partei und ehemalige Justizminister, Jossi Beilin, fest.