Nechama Ehrenberg

Rebbezin mit Kunstsinn

von Christine Schmitt

Nachts arbeitet sie am liebsten, denn erst dann findet sie die nötige Ruhe und kann sich am besten auf ihre Kunst konzentrieren. Nechama Ehrenberg holt dann die Pinsel und Acrylfarben hervor, stellt sich vor die noch weiße Leinwand und legt los. »Meistens ohne Plan«, sagt die 57-Jährige. Ein Konzept entstehe bei ihr erst beim Malen. Als sie an dem Bild arbeitete, dass am kommenden Sonntag bei der WIZO-Kunstauktion versteigert wird, hatte sie aber schon vorher eine Idee, wie das Werk einmal aussehen könnte. Sie wollte nicht nur mit einer lebendigen Farbauswahl, sondern auch mit einer eher ungewöhnlichen Oberflächenstruktur Akzente setzen. »Mich haben Zwiebelnetze vom Material her fasziniert«, sagt sie. Also arbeitete sie es kurzerhand mit hinein in das »ab-
strakte, lebendige, lustige Bild«, so Nechama Ehrenberg. »Hinter der Treppe«, lautet der Titel des Werkes, das für mindestens 1.000 Euro einen neuen Besitzer bekommen soll.
»Das ist einfach wunderbar, dass die WIZO ein Bild von mir für einen guten Zweck versteigern will, was könnte es Besseres geben«, sagt sie. Als in einem Berliner Friseursalon Bilder von ihr ausgestellt waren, seien Mitglieder des jüdischen Frauenvereins auf ihre Gemälde aufmerksam geworden und hätten angefragt, ob sie ein Bild zur Verfügung stellen würde. Sie hat sofort zugesagt.
Wie kommt die Frau des orthodoxen Berliner Gemeinderabbiners überhaupt zur Malerei? In ihrer Familie muss es ein dominantes Gen für Kunst geben, sagt Nechama Ehrenberg. Denn schon ihr Großvater, der Rabbiner in Jerusalem war, konnte sehr gut malen. Auch ihre Mutter zeichnete wunderschön – und beeindruckte Nechama Ehrenberg, als sie ein Kind war. Und auch sie selbst hatte schon immer alles gemalt, was sie sah. Doch dass sie ihr Talent beruflich nutzen könnte, das wollte ihr Vater, Leiter einer Jeschiwa, partout nicht. »Du wirst Lehrerin«, hatte er nach ihrer Schulzeit bestimmt. So wurde sie Religions- und Geschichtslehrerin, studierte aber schließlich nebenbei doch noch Grafik.
Im Alter von 15 Jahren begann ihr heutiger Mann Yitshak an der Jeschiwa ihres Vaters sein Studium. »Für meinen Vater war er wie ein Sohn«, sagt sie. Dennoch habe es Jahre gedauert, bis sie ihm überhaupt begegnet sei. »Wir waren noch Kinder, als wir uns verlobten.«Als sie 19 war, heirateten sie.
Einige Jahre später sah ihr Alltag meist so aus: Früh aufstehen, Kinder versorgen. Um 7.30 Uhr ab zur Schule, um dort zu unterrichten. Für diese Stunden hatte sie eine Kinderfrau für ihre Sprösslinge. Ge-
gen 15 Uhr hetzte sie dann nach Hause und hatte noch das Einkaufen, Putzen und Kochen zu erledigen und wollte auch et-
was Zeit für ihre vier Kinder haben. »Ich glaube, ich habe das nicht so gut gemacht«, sagt sie heute. Bis 2 oder 3 Uhr nachts arbeitete sie schließlich noch nebenbei als Gebrauchsgrafikerin, sie malte Schilder, um zusätzlich Geld zu verdienen. 15 Jahre lang stand sie in Israel hinterm Pult, um Schüler in Geschichte und Religion zu unterrichten. Später bildete sie auch Seminaristinnen des Jerusalem College aus und studierte Bibelwissenschaften an der Bar-Ilan-Universität.
Ihr Leben änderte sich schlagartig, als Yitshak Ehrenberg Rabbiner in Wien wurde und zusammen mit der Familie nach Österreich zog. Mit der Berufstätigkeit war es für sie erst einmal vorbei – zudem war sie mit ihrer jüngsten Tochter, ihrem fünften Kind, schwanger. Vier Jahre später ging die Familie noch einmal für zwölf Monate nach Israel, von dort wieder zurück nach Wien. Und vor 17 Jahren zog sie dann nach München, wo Ehrenberg Oberrabbiner wurde. Bis zu deren 13. Lebensjahr blieben ihre Kinder bei ihnen, dann besuchten sie ein religiöses Internat in Israel.
In München konnte Nechama Ehrenberg als Religionslehrerin arbeiten, bis es ihren Mann als orthodoxen Rabbiner an die Spree zog. Das sei nun schon acht Jahre her. »Hier wollte ich meinen Mann wieder mehr bei seiner Arbeit unterstützen«, sagt Nechama Ehrenberg, und verzichtete so auf regelmäßige Unterrichtstätigkeit.
Dafür hat sie vor zwei Jahren wieder die Acrylfarben für sich entdeckt und malt seitdem wieder. Gerne arbeitet sie bei ih-
ren Werken religiöse Verse mit ein. Manch-
mal schafft sie zwei Bilder in einer Woche, manchmal rührt sie tagelang den Pinsel nicht an. »Ich habe immer viel zu tun«, sagt die 57-Jährige. Um nicht »Zeit zu verschwenden«, bügelt und näht sie deshalb vor dem Fernseher. Wenn ihr Mann in einigen Jahren pensioniert wird, wollen die Ehrenbergs wieder nach Israel gehen. Dort und in den USA leben ihre Kinder und Enkelkinder. »Aber eines wird mir dann fehlen: die Gemütlichkeit«, sagt Nechama Ehrenberg, »denn die habe ich in Deutschland gelernt.« Ein paar Bilder von ihr werden hier bleiben.

WIZO Art 2007, Wohltätigkeits-Kunstauktion, Sonntag, 25. März, 18.30 Uhr, stilwerk, 5. OG Forum, Kanstraße 17

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