von Claudia Rindt
Sieben Monate nach der Grundsteinlegung ist es soweit. Regenwasser fließt in das frisch gekachelte Becken der Konstanzer Mikwe. Mit einer Feier eröffnete am Sonntag die Israelitische Kultusgemeinde Konstanz ihr erstes nach dem Mittelalter erbautes Tauchbad für die rituelle Reinigung.
Das Bad in der Konstanzer Altstadt wurde nach religiösen Vorschriften errichtet. Rabbiner Meir Posen, ein gefragter Spezialist für den Bau jüdischer Tauchbäder, habe überprüft, ob alle Bedingungen eines koscheren Bads erfüllt sind, betont die Kultusgemeinde. Auf dem Dach der Mikwe stehen Vorratsbehälter. Sie fangen das Regenwasser ein, das dann in das Tauchbecken geleitet wird. Um als koscher zu gelten, also als tauglich für die rituelle Reinigung, muss das Wasser der Mikwe direkt der Natur entnommen sein. Dazu gehören Quell-, Grund- und Regenwasser.
Der Hauptraum der Mikwe ist mosaikartig mit kleinen, blauen Steinen gekachelt. In der Wand über dem Wasser bilden die Fliesen einen Davidstern. Män- nern und Frauen stehen getrennte Umkleideräume mit Waschgelegenheiten zur Verfügung, in denen sie sich vor dem Gang ins Tauchbecken reinigen können, erklärt der Rabbiner und betont: »Männer und Frauen halten sich nie gleichzeitig im Bad auf. Sie betreten die Mikwe zu getrennten Zeiten und durch getrennte Türen.« Stufen führen ins Wasser, in dem Gläubige ohne Kleider, ohne Schminke und Schmuck untertauchen, um sich seelisch zu reinigen. Frieren müssen sie nicht. Das Wasser kann durch eine Heizspirale erwärmt werden. Es gibt zudem einen Reinigungsfilter und eine Pumpe, mit der gebrauchtes Wasser abgezogen werden kann. Über einen Gang ist das Bad direkt mit der Synagoge der Israelitischen Kultusgemeinde verbunden. Nach jüdischen Gesetzen sollen Männer vor Beginn des Schabbats oder zu anderen Feiertagen das Bad besuchen. Frauen am Vorabend der Hochzeit oder nach der Monatsregel. Gläubigen Konstanzer Juden, die auf das Bad nicht verzichten wollten, stand bisher nur der Bodensee zur Verfügung. Er gilt als koscheres Gewässer.
Die Bauherren, die Konstanzer Familie Nissenbaum, widmen die neue Mikwe dem Andenken des Holocaustüberlebenden Shimon Nissenbaum. Er hatte sich nach dem Krieg für den Wiederaufbau der jüdischen Gemeinde in Konstanz und den Erhalt jüdischer Friedhöfe sowie Kulturdenkmale in Polen eingesetzt. Zur Eröffnung des Bads wählte die Familie deshalb auch den siebten Todestag von Shimon Nissenbaum. Die Familie und die Nissenbaum-Stiftung wollen für die geschätzten Baukosten von mehr als 300.000 Euro aufkommen, ebenso für die laufenden Kosten. Sie stellen das Bad der Israelitischen Kultusgemeinde mit den über 300 Mitgliedern zur Verfügung.
Auseinandersetzungen haben in der Vergangenheit zu der Gründung einer zweiten jüdischen Gemeinde geführt. Diese gehört der Israelitischen Religionsgemeinschaft Badens an.